Hamburger Kahlschlag rot-grün inspiriert

Für die Kürzungen im Sozialhaushalt nutzt die „Schwarz-Schill“-Koalition Vorlagen der Bundespolitik und des Exsenats

HAMBURG taz ■ Die um die Macht gebrachten marschierten Seit an Seit. Unter den 10.000 Demonstranten, die Mitte der Woche in Hamburg protestierten, befanden sich neben Gewerkschaftern und Sozialarbeitern vor allem Sozialdemokraten und Grüne. Es ging gegen den „Sozialkahlschlag“ der neuen Regierung aus CDU, Schill-Partei und FDP.

In der Bürgerschaft stimmte am Mittwochabend der so genannte Bürgerblock den ersten hanseatischen Haushalt seit 45 Jahren ohne die Sozis durch. Heftig kritisierte SPD-Fraktionschef Uwe Grund für die rot-grüne Neuopposition den „unsozialen Sparhaushalt“ als „eine schreckliche Politik, schrecklich für die Menschen in Hamburg“. Für viele Sparmaßnahmen haben jedoch die abgewählte rot-grüne Landesregierung und die gleichfarbige Bundesregierung die Steilvorlagen geliefert.

Im Fokus der öffentlichen Kritik steht ein „Umverteilungspaket“ von gut 75 Millionen Euro; also gerade mal einem knappen Prozent des 9,4 Milliarden Euro großen Hamburger Gesamthaushaltes. Drastisch gekürzt wird bei der Arbeitsmarktpolitik (10 Millionen Euro), bei den freien Trägern im sozialen Bereich (8 Millionen), bei der Sozialhilfe (5 Millionen) und der Umweltbehörde (41 Millionen). Dagegen bekommt die von Ronald Schill geführte Innenbehörde ein Plus von 47 Millionen und die Justizbehörde ein Plus von 13 Millionen Euro. Etwa 280 Vollzugsbeamte, 250 Polizeidienst-Angestellte und 15 Staatsanwälte sollen eingestellt werden.

Für dieses Konzept lieferte der rot-grüne Senat wichtige Vorarbeiten: Er erklärte bereits vor einem knappen Jahr die „innere Sicherheit“ zum neuen Politikschwerpunkt. So gelang es dem im Mai eingewechselten Innensenator Olaf Scholz (SPD), alle Sparverpflichtungen der Polizei auszuhebeln. Das dafür benötigte Geld besorgte sich Scholz vor allem aus dem Sozialhilfeetat. In dem noch von Rot-Grün aufgestellten Haushaltsentwurf für das laufende Jahr wurde der Innenbehörde die höchste Zuwachsrate von knapp 30 Millionen Euro zugebilligt.

Auch bei der Sozialhilfe hat Rot-Grün Millionenbeträge eingespart: Wer nicht bereit war, einen Niedriglohnjob anzunehmen, wurde mit Leistungskürzungen bedroht. Die neue Hamburger Regierung will nun zusätzlich die Bewilligungspraxis genau unter die Lupe nehmen: Mitarbeiter, die mehr Sozialhilfe bewilligen als Kollegen, sollen zum Sparen angehalten werden.

Kernstück der Hamburger Einsparungen aber ist die Arbeitsmarktpolitik. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen werden von rund 2.000 auf 1.500 reduziert, die im zweiten Arbeitsmarkt untergekommenen Langzeitarbeitslosen werden schlechter entlohnt: Sie werden statt bislang 1.250 Euro nur noch 990 Euro erhalten. Wer Kinder hat, ist damit automatisch auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen.

Möglich werden die neuen Niedriglöhne durch das von der Bundesregierung verabschiedete Job-Aqtiv-Gesetz, das die Niedriglohnpauschalen auf dem zweiten Arbeitsmarkt vorsieht. Dabei hat das rot-grüne Kabinett die Pauschalen vor allem für die Beschäftigungsträger vorgesehen, die selber Einnahmen erwirtschaften. Weil Hamburg die Minuslöhne flächendeckend einführen will, sprechen die Sozialdemokraten der Hansestadt von einem „Missbrauch des Gesetzes“. Dirk Hauer, Sprecher der Sozialpolitischen Opposition (Sopo), sieht das anders: „Die Bundesregierung hat diesem Missbrauch doch Tür und Tor geöffnet.“

Die Hamburger Arbeitsmarktpolitik der Schwarz-Schill-Regierung liegt dabei voll im Trend: Schon unter Rot-Grün wurden mehr als 3.000 ABM-Stellen in der Hansestadt abgebaut. Andere Länder wollen nachziehen: Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) kündigte unlängst an, die rund 12.000 ABM-Stellen des Landes auf den Prüfstand zu stellen. Dass die Hamburger Landesregierung statt ABM-Maßnahmen in Zukunft lieber Lohnzuschüsse an Firmen finanziert, die Arbeitslose einstellen, deckt sich zudem exakt mit den Vorstellungen des neuen Chefs der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster. So ist für Norbert Hackbusch, den wirtschaftspolitischen Sprecher der oppositionellen Regenbogengruppe, die neue Hamburger Arbeitsmarktpolitik vor allem eins: „die konsequente Fortsetzung rot-grüner Arbeitsmarktkonzepte mit anderen Mitteln“. MARCO CARINI