Goethe & Goethe

Oft bin ich gefragt worden, warum sich meine Aufmerksamkeit als Künstler und Autor ausgerechnet auf Island richtet. Eigentlich ist das ganz leicht zu beantworten: So wie andere Künstler mit Metall, Stein, Papier, Leinwand, Farben, Video oder Computer arbeiten, so arbeite ich mit Island. Das hört sich vielleicht etwas kalt an: Island als Material. Aber wie andere Künstler ihre Farben und Leinwände lieben, ihren Marmor, Beton und Stahl, mit und aus dem sie ihre Kunstwerke formen, so liebe ich Island. Es ist ein Material, das äußerst eigenwillig ist, nach seiner eigenen Pfeife tanzt und mir nicht gehorchen möchte.

Anregungen und Impulse, die in die Zukunft wirken, kommen bekanntlich nicht automatisch aus den Zentren der Macht, spannende Gedanken können durchaus auch aus einem kleinen Land an der Peripherie kommen, das „nur“ 275.000 Einwohner hat. Als in der Regierungszeit von Helmut Kohl das Goethe-Institut in Reykjavík geschlossen wurde, spielten solche Gedanken keine Rolle. Das „knappe Geld“ für Kultur ebenso wenig. Schließlich wurden unmittelbar nach der Schließung der Goethe-Institute auf Island und im Tschad neue Institute in Estland, Lettland und Litauen eröffnet.

Wenn Kultur und ihre Vermittlung ökonomischen Interessen untergeordnet werden, zur reinen Kulturpolitik verkommen, ohne Vision ausgestattet sind und von Kulturbürokraten bestimmt werden, dann ist Eigeninitiative gefordert: Mit der Künstlerin Ásta Ólafsdóttir gründete ich das „weltweit einzige private Goethe-Institut“ – als Kunstinstallation im Reykjavíker Living Art Museum. Versehen mit einem funktionierenden Telefonanschluss mit der Nummer des geschlossenen Goethe-Instituts.

Die Proteste der Isländer (und vieler Deutscher) führten schließlich dazu, dass es nun wieder eine staatliche Kulturvertretung in Reykjavík gibt, das Goethe-Zentrum. Und zusätzlich nun ein privates Kulturinstitut: die Walther von Goethe Foundation – benannt nach Goethes Enkel Walther, der stets im Schatten seines Großvaters lebte, ein erfolgloser, unbedeutender Komponist und zugleich der letzte direkte Goethe. Die Foundation entstand, nachdem die Rechtsabteilung des Goethe-Instituts mit Rechtsstreit und hohen Strafgeldern für den Fall drohte, falls ich weiter „vor Dritten“ behaupten würde, ich sei Leiter eines „privaten oder staatlichen Goethe Instituts“ auf Island.

Das staatliche Goethe-Zentrum Reykjavík und die private Walther von Goethe Foundation werden vielleicht schon im Oktober 2002 bei einem Ausstellungsprojekt zusammenarbeiten – wie es sich Ingimundur Sigfússon, der vormalige Botschafter Islands in Deutschland, jetzt in Tokio, immer ausdrücklich gewünscht hat. Im Interesse des deutsch-isländischen Kulturaustausches mit der zauberhaften Insel im Eismeer.

WOLFGANG MÜLLER, PRÄSIDENT DER
WALTHER VON GOETHE FOUNDATION