Zwischen Richtweg und Goetheplatz

■ Dem Bremer Theater steht eine Ausweichquartier-Spielzeit im früheren Musical-Theater bevor. Zur Finanzierung des Umbaus fehlen noch 6,5 Millionen Euro

Bremens Kultursenator ist Zeitungsleser. Und hat ein Standbein (und eine Frau) in Berlin. Also liest er auch in Berlin Zeitung – und findet dort immer wieder lobende Worte über „sein“ Bremer Theater. „Es wird überregional zur Kenntnis genommen“, freut sich Kuno Böse.

Der Senator ist auch Theatergänger. Zehn, zwölf Produktionen habe er sich in der vergangenen Spielzeit angeschaut, und so lobt er „die Munterkeit, die hier herrscht“. Kulturpolitisch agiere der Generalintendant „nicht immer zum Vergnügen meines Hauses“, fügte Böse hinzu, doch auch diese Impulse (gemeint ist Pierwoß' Engagement in der Kulturinitiative „Anstoß“) sorgten für Lebendigkeit in der Kulturszene. Und das sei gut für die Stadt.

Gut für das Theater ist die Pleite des Musicaltheaters am Richtweg. Denn die Möglichkeit, während des Umbaus am Goetheplatz dorthin auszuweichen, spart nach Berechnungen des Geschäftsführers Lutz-Uwe Dünnwald 1,8 Millionen Euro. Die hätten auf die Umzugskosten von 2,8 Millionen Euro draufgeschlagen werden müssen, wenn das Theater mehrere Orte als Ausweichquartiere gebraucht hätte. 16 Millionen kosten die Renovierungen im Goethetheater, die Anfang 2003 beginnen und ein Jahr dauern sollen. Die Hälfte dieser Summe übernimmt die Stiftung „Wohnliche Stadt“. Das Theater soll über Sponsoren und „Wirtschaftlichkeitssteigerungen“ 1,5 Millionen Euro aufbringen (Dünnwald: „In der kommenden Spielzeit wird es aber definitiv keine höheren Eintrittspreise geben“) – bleibt ein Finanzbedarf von 6,5 Millionen.

„Ein kalkulierbares Risiko“, meint Senator Böse. Er treffe sich bald mit den Kollegen Perschau und Hattig und kämpfe „für den erforderlichen politischen Willen“. Schließlich habe das Theater einen großen Renovierungs-Nachholbedarf, betonte auch Intendant Klaus Pierwoß. Das Bremerhavener Stadttheater sei gerade saniert worden und „in welches Gebäude in Bremen bisher investiert wurde, wissen wir ja alle.“

Nun wird also der Zuschauerraum neu eingerichtet („wir trauen uns ja kaum, das Saallicht voll anzudrehen, so fleckig ist der Boden“), die Aufgänge zum zweiten Rang „aufgewertet“ und das Foyer von Einbauten freigeräumt und in Richtung Innenhof erweitert. Böse: „Ein würdiger Rahmen für die hohe künstlerische Qualität.“

Derweil muss man am Richtweg mit den eingeschränkten Lagermöglichkeiten klarkommen. Für den Spielplan bedeutet das, weniger Wechsel im Repertoire (die taz berichtete) und weniger Wieder-aufnahmen. Die Premierenzahl ist mit 25 aber konstant. Nachdem der Spielbetrieb am Richtweg Mitte Oktober mit dem Weihnachtsmärchen aufgenommen sein wird, folgt dort im Dezember „May Fair Lady“. Auch Wagners Lohengrin muss sich in das Musicaltheater einfügen, während „Aida“ im September noch am Goetheplatz Premiere feiert (der Opern-Einstand des neuen Generalmusikdirektors Lawrence Renes) und die Umbauzeit dann im Lager überwintern wird. Auf den Richtweg sei die Inszenierung nicht übertragbar, erklärte Pierwoß.

Das Musiktheater hält sich in der kommenden Spielzeit vergleichsweise eng ans konventionelle Repertoire. Die Ausnahme: „Der Herbst des Patriarchen“ nach Gabriel García Márquez von Giorgio Battistelli, der 1998 schon die „Entdeckung der Langsamkeit“ in Bremen uraufführte.

Das Schauspiel bringt mit Shakespeares „Hamlet“ das „meistdiskutierte Stück der Welt“ (Chefdramaturg Joachim Klement), aber auch eines von Johann Kresnik über Heinrich Vogeler sowie Elfriede Jelineks „In den Alpen“, das das Seilbahnunglück von Kaprun bearbeitet.

Urs Dietrich wird neben zahlreichen Tourneen des Tanztheaters zwei neue Stücke vorstellen. Das Kinder- und Jugendtheater MOKS (das dieses Jahr seinen 25. Geburtstag feiert) hat seine erste Premiere in der Unteren Rathaushalle. Zur Ausstellung „Am Roland hing ein Hakenkreuz“ haben die MOKSer das Stück „Hans und Grete“ entwickelt.

„Die letzten Tage der Menschheit“ im Bunker Valentin beginnen am 1. August ihre letzte Vorstellungsserie. Und: Der bewährte Tenor Tomislav Muzek verlässt das Theater, weil er zum Militärdienst nach Kroatien eingezogen wird. Das Bremer Theater wird er in den dortigen Zeitungen wohl kaum finden. Henning Bleyl