berlin buch boom Andreas Merkels Berlin-Roman „Das perfekte Ende“
: Untergeher und Ehrlichers

Schon mutig, dieser Andreas Merkel. Während sich seine Schriftstellerkollegen und deren Verlage inzwischen hüten, ihre Bücher, die nur im Entferntesten mit Berlin zu tun haben, als „Berlin-Romane“ zu kennzeichnen, kennt der 32-jährige Merkel keine Skrupel: Seinen Roman „Das perfekte Ende“ hat er kurzerhand mit „Ein Berlin-Roman“ untertitelt. Auch das Cover soll keinen Zweifel zulassen, dort erhebt sich vor schwarzem Hintergrund grün leuchtend und mächtig der Reichstag.

Zuerst aber landet man in einem ICE von Kiel nach Berlin. In dem sitzt Merkels Held und Ich-Erzähler Kristofer, der von seiner Exfreundin Lou nach Berlin eingeladen worden ist. Kristofer lässt hier die Geschichte seiner alten Beziehung Revue passieren: eine Studentenliebe, die endgültig in die Brüche ging mit Lous Umzug nach Berlin.

Nach Kristofers Ankunft verleiht Merkel seinem Roman zwei zusätzliche Erzählperspektiven: die von Wilberg, Lous neuem Freund, der an einer Rockstar-Karriere bastelt und schon eine ziemliche Nummer ist – zumindest in Berlin; und die von Lou, die gleichfalls ein glamouröses Dasein anstrebt. Sie arbeitet in einer Werbeagentur und nimmt Schauspielunterricht.

Eine klassische Dreiecksgeschichte und auch keine schlechte Konstellation für einen kleinen Großstadtroman: Hier der Junge aus der Provinz, der für die örtliche Zeitung Poptexte schreibt, aber nicht auf Berlin steht. Dort die vermeintlich coolen Metropolenbewohner, die ein Leben auf der Überholspur zu führen glauben.

Merkel macht das nicht ungeschickt: Während sein Kristofer immer mal wieder sein Innenleben neu justiert und als interessierter Beobachter durch Berlin läuft, lässt er bei Wilberg und Lou die Zweifel hinsichtlich ihres Strebens und Lebens dominieren: Wilberg zum Beispiel fragt sich, ob seine Single „Between … Berlin“ nicht zu viel Zugeständnisse an den Massengeschmack macht. Und Lou schämt sich, wenn sie von Party zu Party jettet, wichtige Leute kennen zu lernen versucht und vor unzweideutigen Angeboten nicht zurückschreckt.

Berlin – ein Fegefeuer der Eitelkeiten; eine Stadt zwischen Cookies, Columbiahalle, 103 und Kollwitzplatz, aber kein Fest fürs Leben. Vor allem eine Stadt, die versucht „die in sie hereingekommenen Unglücklichen, Karriersuchenden abzustoßen, zu zerstören, zu vernichten“. Dieses Zitat hat Merkel in Thomas Bernhards „Holzfällen“ gefunden und seinem Buch vorangestellt. Bessere Zeiten klingt schlecht, vor allem für Lou und Wilberg. Trotzdem hat man oft das Gefühl, hier wird lediglich behauptet, dass die Figuren Berlin „spüren“, dass Berlin ihre Persönlichkeit verändert hat, dass sie, wie im Fall von Kristofer, zu Reflektionen bezüglich Berlins geradezu gezwungen werden. Merkel hat sich mit der Schilderung der Durchdringung persönlicher Schicksale durch Berlin vielleicht etwas viel vorgenommen – so richtig Tiefenschärfe wollen die Charaktere seiner drei Helden nicht annehmen. Zu schnell hat man sie durchschaut, nur mäßig interessant und wenig tragisch gestaltet sich die Dreiecksbezeihung.

„Das perfekte Ende“ funktioniert eher nach der Devise, nach der viele Menschen Berlin einfach mal in ihre Biografie einbauen: Hier muss man mal gewesen sein! Studieren, leben oder arbeiten, dann aber unbeschadet wieder von dannen ziehen. Das kleine Glück macht man doch besser woanders.

Immerhin ist gegen diese Spezies der neuen Berliner zumindest Merkels Kristofer eine ehrliche Haut: Ein paar Liebesdinge klären und am perfekten Ende schlauer als vorher zurück nach Kiel fahren. Wenn das kein cooles Berlin-Gefühl ist! GERRIT BARTELS

Andreas Merkel: „Das perfekte Ende“. Chili im Arena-Verlag 2002, 152 Seiten, 7,90 €