Sünden an der Objektivität

Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi macht Stimmung gegen seine politischen Widersacher beim staatlichen Sender RAI – der Medienmogul verlangt, dass sie vom Bildschirm verschwinden. Damit verstößt er gegen geltendes Medienrecht

aus Rom MICHAEL BRAUN

Die Jagd ist eröffnet: Eine Pressekonferenz im Rahmen seiner Bulgarien-Visite nutzte der italienische Ministerpräsident Berlusconi, um Operationen gegen seine journalistischen Gegner in der RAI anzukündigen. Nachdem er das Volk in den Wochen der Besetzung in der RAI-Führungsspitze und des Austauschs aller Wellen- und Nachrichtenchefs mit der Mär vergnügt hatte, mit der RAI beschäftige er sich nicht, kam er nun unverblümt zur Sache: „Biagi, Santoro und Luttazzi haben das – aus den Geldern aller Bürger bezahlte – öffentliche Fernsehen in krimineller Weise genutzt. Ich denke, es ist die klare Pflicht der neuen RAI-Spitze, nicht mehr zuzulassen, dass solche Dinge geschehen.“

Und dafür zu sorgen, dass die missliebigen Gesichter vom Bildschirm verschwinden – auf Nachfrage erklärte Berlusconi, natürlich sei sein rüder Angriff nicht „ad personam“ gemeint, leider aber könne er sich nicht vorstellen, dass die drei bösen Buben Reue zeigen und in Zukunft „objektive Sendungen“ ablieferten. Welche Sünden an der „Objektivität“ er den dreien vorwirft, ist hinlänglich bekannt. Enzo Biagi, einer der Nestoren des italienischen Journalismus, geht täglich auf RAI 1 mit „Il Fatto“ (Das Faktum) auf Sendung, um wichtige Ereignisse mit Kurzinterviews auszuleuchten. Vor den Parlamentswahlen im Mai 2001 hatte er den Komiker Roberto Benigni zu Gast – und der hatte gewagt, ein paar Witze über Berlusconi zu machen. Michele Santoro ist Moderator eines politischen Magazins auf RAI 2; er hatte sich mit dem Vorleben des Berlusconi-Intimus Marcello Dell’Utri beschätfigt, dem zurzeit in Palermo wegen Unterstützung der Mafia der Prozess gemacht wird. Der Komiker Daniele Luttazzi schließlich hatte den Journalisten Marco Travaglio in seine Sendung eingeladen und dort dessen Buch über Berlusconi (es zitiert Gerichtsakten aus den zahlreichen Verfahren gegen den Ministerpräsidenten) vorgestellt.

Nun ist es an der neuen RAI-Spitze, die Weisungen des gar nicht weisungsbefugten Berlusconi umzusetzen und damit die öffentliche Anstalt in Inhalten und Befehlshierarchien zur Zweitausgabe von Berlusconis Mediaset zu machen. Die Voraussetzungen sind gut. RAI 1 ist fest in der Hand von Forza Italia, RAI 2 teilen sich Alleanza Nazionale und die Lega Nord. Andererseits macht Berlusconi es seinen journalistischen Gefolgsleuten mit seiner frechen Manier, die RAI-Gleichschaltung einzuklagen, unnötig schwer. Claudio Petruccioli, Abgeordneter der Linksdemokraten und im Parlamentsausschuss zur Überwachung der RAI, brachte es auf den Punkt: „Das Gesetz untersagt jegliche Intervention des Ministerpräsidenten gegenüber der RAI. Hier liegt ein frontaler Angriff auf den Verwaltungsrat und die Führungsleute der RAI vor. Wer immer nach diesem Berlusconi-Diktat versuchen sollte, Santoro, Biagi und Luttazzi herauszusäubern, brächte seine eigene Autonomie in Zweifel und würde sich als Marionette präsentieren.“ Und sogar Giuliano Ferrara, Chefredakteur der von Berlusconi-Gattin Veronica kontrollierten Tageszeitung Il Foglio, kommentierte, hier handele es sich um offenen Machtmissbrauch. Jedenfalls dürfte der Ministerpräsident das seine dazu beitragen, um den für heute Abend geplanten Protestveranstaltungen gegen die Unterwerfung der RAI und das damit geschaffene rechte Meinungsmonopol im Land hohe Teilnehmerzahlen zu garantieren.