Die Reichen und die Pleiten

Weltwährungsfonds und Weltbank tagen in Washington. Thema: Wann und wie gibt es Geld? Wann und wie werden Schulden abgeschrieben?

von KATHARINA KOUFEN

Es ist das erste Treffen der beiden großen Geldgeber IWF und Weltbank seit den Terroranschlägen im September. Und gewiss, wenn sich die Finanzminister und Zentralbankchefs am Wochenende in Washington versammeln, gibt es „auch Anlass zu vorsichtigem Optimismus“, wie der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Caio Koch-Weser, formulierte – immerhin soll sich die Konjunktur weltweit wieder erholen. Doch die Sorgen überwiegen: Die angeschlagenen japanischen Banken. Das wachsende US-Haushaltsdefizit. Die schwankenden Ölpreise. Jene schwer kontollierbaren Kapitalströme, aus denen Terroristen das Geld für ihre Anschläge schöpfen. Und natürlich die Finanzkrise in Argentinien. Sie ist deshalb so wichtig, weil an Argentinien ein Exempel statuiert wird, wie der Fonds künftig mit bankrotten Schwellenländern umgeht.

Es sei zu befürchten, dass die argentinische Wirtschaft in diesesm Jahr „um 10 bis 15 Prozent“ schrumpfe, heißt es in einem Wirtschaftsausblick des IWF. Eine Lösung dieser Probleme sei „dringlich“, weil die Krise auf die anderen Schwellenländer übergreifen könnte. Im Bundesfinanzministerium halte man diese Gefahr für „gebannt“, so Koch-Weser, der zusammen mit Finanzminister Hans Eichel und Bundesbankchef Ernst Welteke an der Tagung teilnimmt. „Die Schwellen- und Entwicklungsländer haben sich im letzten Jahr als erstaunlich resistent erwiesen. Man kann sogar sagen, das Beispiel Argentinien hat abschreckend gewirkt.“

Streit gibt es um die Frage, ob Argentinien möglichst schnell weiteres Geld aus einem bereits bewilligten Kredit erhalten soll oder nicht. Das Finanzministerium unterstützt die Position des IWF und der US-Regierung: Argentinien müsse zuerst „erfolgreiche Reformen“ vorweisen. Dazu gehört, dass die Provinzregierungen aufhören, selbst Banknoten zu drucken. Kritiker der IWF-Politik, darunter natürlich Argentinien selbst, fordern sofort Geld. „Der IWF verschärft die Krise nur noch zusätzlich, wenn er nicht sofort hilft“, sagte der ehemalige Weltbank-Chefökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz der taz. Aus Protest gegen die strengen Auflagen hat ein anderes hoch verschuldetes Land, Nigeria, letzten Monat seine Zusammenarbeit mit dem IWF aufgekündigt (siehe Text unten).

In diesem Zusammenhang wird es in Washington auch um den Vorschlag eines internationalen Insolvenzrechts gehen. IWF-Vize Anne Krueger hat ihn selbst gemacht, musste aber wegen des Unwillens der US-Regierung schon wieder den Rückzug antreten. Offiziell wird jetzt diskutiert, ob Kredite künftig von vornherein mit Klauseln versehen werden sollen, wie im Falle der Zahlungsunfähigkeit zu verfahren ist. Das Finanzministerium spricht sich für „ein Insolvenzverfahren, das völkerrechtlich verbindlich ist“, aus, so Koch-Weser. Hinter vorgehaltener Hand soll selbst Bundesbankchef Welteke gesagt haben, dass Argentinien ohne echten Schuldenerlass nicht zu retten sei.

Doch nicht einmal ein offizieller Schuldenerlass bringt allein die erhoffte Erleichterung für das bankrotte Land. Das zeigt eine Studie von IWF und Weltbank über die bereits angelaufenen Entschuldungsinitiative für die ärmsten Länder. 8 bis 10 der rund 30 Staaten hätten auch nach der Entschuldung Schuldenprobleme, so die Studie. Deshalb müssten in einigen Fällen noch mehr Schulden erlassen werden. Strittig ist in diesem Zusammenhang auch, ob die Weltbank künftig nur noch Zuschüsse an die ärmsten Länder vergeben soll. Die USA sind dafür und begründen dies mit der hohen Verschuldung dieser Länder. Die EU-Länder sind dagegen. Koch-Weser: „Eine Bank lebt von den Rückflüssen aus vergebenen Krediten. Das Geld, das in den 80er-Jahren an China verliehen wurde, wird heute nach Afrika weiterverliehen.“