Sieg bringt nicht Frieden

■ 3.000 BremerInnen demonstrieren für Ende der Gewalt im Nahen Osten Nahost. Im Theater diskutierten zwei Regisseure über den schwierigen Weg zu dem so einfach beschriebenen Ziel

Die Bundesregierung soll politisch und wirtschaftlich eingreifen, damit der Friedensprozess wieder aufgenommen werde, sagte der Vorsitzende des Arbeitskreises der Islamischen Föderation Bremen, Ahmet Özdem, am Samstag vor dem Bremer Dom. Zu der Schlusskundgebung nach der Demonstration hatten sich etwa 3.000 Menschen versammelt – viele in Bremen lebende Palästinenser waren dabei.

„Der Frieden sei nur gemeinsam zu haben und nicht als Sieg der einen über die anderen“, erklärte auch der theologische Repräsentant der Bremischen Evangelischen Kirche, Pastor Louis-Ferdinand von Zobeltitz. Die Gewaltspirale von demütigenden Militäreinsätzen und Selbstmordanschlägen müsse ein Ende haben. Gesicherten Grenzen für Israel sei nur zusammen mit der Gründung eines lebensfähigen palästinensischen Staates möglich. Jüdische Siedler müssten das Westjordanland verlassen, die palästinensischen Flüchtlinge auf ihre Rückkehransprüche auf israelisches Staatsgebiet verzichten, so der Tenor der Demontration.

Einen Tag später: Wieder ist der Nahe Osten in der Bremer Diskussion. Der israelische Regisseur Joshua Sobol, der zum „Dialog“ über die Lage in seiner Heimat ins Theater am Goetheplatz eingeladen war, hat bei der Beschreibung des möglichen Kompromisses das schwierigste Element nicht vergessen: Für Jerusalem müsse eine gemeinsame Lösung gefunden werden. Um den Gaza-Streifen herum kann man einen Zaun bauen, der menschliche Friedensbereitschaft ein Stück weit ersetzt, quer durch Jerusalem versagen die technischen Hilfsmittel. Aber wo ist ein Weg zu diesem Ziel, das schon in Friedensverträgen, die von den USA vermittelt wurden, weitgehend ausformuliert und beschlossen worden war?

Das Schauspielhaus war voll, als am Sonntag neben dem 1939 in Tel Aviv geborenen Sobol der italienische Regisseur Roberto Ciulli, der im vergangenen Jahr durch seine spektakuläre Inszenierung im Irak Schlagzeilen gemacht hat, auf dem Podium saß. Über den Weg zum Frieden war Ciulli dabei genau so ratlos wie auch Sobol.

30 Jahre lang habe er sich auf der israelischen Seite für den Frieden eingesetzt, berichtete Sobol, einer der führenden Dramatiker in hebräischer Sprache, der vor nicht allzu langer Zeit in Israel noch als linker „Nestbeschmutzer“ angegriffen worden ist. Und dann erklärte er in bewegender Weise, wie es dazu kommt, dass es diese linke Position nicht mehr gibt in Israel. 62 Prozent der Israelis wären nach dem Abkommen von Camp David für den Rückzug in die Grenzen von 1967 gewesen, „gegen die eigenen Emotionen“, erinnert Sobol. „Wenn Arafat das damals akzeptiert hätte, wäre die Lage anders.“ Aber Arafat sei kein großer Staatsmann, sondern hänge sein Fähnchen in den Wind. Er habe die Aktionen der bewaffneten Gruppen nicht unterbunden – und damit die politische Position derer zerstört, die in Israel dafür werben, eine Basis des Vertrauens zu den Palästinensern aufzubauen. Es werde vielleicht eine Generation dauern, bis dieses Vertrauen wieder eine Chance hat.

Blind sei dieser Terror. Die Bombe, die in einer religiösen Feier am Passah-Tag 28 Menschen in den Tod gerissen habe, sei so wie die „Kristallnacht“ interpretiert worden in Israel: als Ankündigung der Zerstörung der jüdischen Seele. Wenn man in Deutschland verstehen wolle, was diese Bombe bedeutet, müsse man sich vorstellen, dass in einem Weihnachtsgottesdienst eine Bombe explodiert. „We had to fight back“, sagt Sobol.

In seinem letzten Roman hatte er formuliert, die Falken müssten sich eine blutige Nase holen, bevor die dünnen Fäden der Hoffnung weitergesponnen werden könnten. Das war aber lange bevor in Israel das Gefühl zu regieren begann, man müsse zurückschlagen. K.W.