Jugendprojekte im Würgegriff

Der Senat kürzt, die Bezirke kürzen: Ab November droht vielen Einrichtungen das Aus. Grund genug für ein „Aktionsbündnis Kinder- und Jugendarbeit Berlin“, morgen vor dem Roten Rathaus zu demonstrieren

Unter dem Motto „Das Land bürgt für die Bank – Wer bürgt für unsere Kinder?“ hat ein „Aktionsbündnis Kinder- und Jugendarbeit Berlin“ für morgen, 16 Uhr zu einer Demonstration aufgerufen. Vertreter von über 70 Gruppen wollen vor dem Roten Rathaus gegen die angekündigten Kürzungen demonstrieren. Sparmaßnahmen in der präventiven Jugendarbeit hätten letztlich immer teure Auswirkungen gehabt, heißt es im Aufruf, „denn Therapieplätze, Plätze im Gefängnis oder ein Mehr an Polizei kosten Geld, viel mehr Geld.“

Die Berliner Jugendeinrichtungen müssen sich auf drastische Sparmaßnahmen einstellen. Auf einer Sparliste des Landesjugendamtes stehen über 100 Jugendprojekte, denen ab 1. November die finanzielle Förderung erheblich oder sogar ganz gestrichen werden soll. Auf diesem Weg soll die Gesamtsumme der Zuwendungen von 30,1 Millionen Euro um 4,2 Millionen gekürzt werden. Zusätzlich sollen weitere 1,9 Millionen Euro aus Lottogeldern wegfallen. Viele Projekte stehen damit praktisch vor dem Aus. Betroffen sind Bildungseinrichtungen und kulturelle Projekte ebenso wie Beratungsstellen und Jugendverbände. Aus einer internen Vorlage geht hervor, dass die Kürzungsvorschläge in drei Kategorien unterteilt wurden. Demnach soll gekürzt werden, wenn a) der gesamtstädtische Nutzen in Frage steht, wenn b) die Zielgruppe der Maßnahmen nicht bedürftig oder benachteiligt ist oder wenn c) die Einrichtungen durch finanzielle Kürzungen nicht in ihrer Existenz bedroht werden, heißt es in der Vorlage.

Gerade die Kürzungen nach Kategorie b) stehen in eklatantem Widerspruch zum Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), kritisiert Ramona Pop, jugendpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Das KJHG macht die Förderung eben gerade nicht von der Bedürftigkeit abhängig.“ Sie befürchtet, dass durch die Kürzungen gerade kleinere, innovative Projekte auf der Strecke bleiben, die jährlich meist nur mit 3.000 bis 5.000 Euro gefördert wurden. „Wenn man denen 500 Euro kürzt, dann können die dichtmachen“, sagt die Grüne. Zwar müssten auch die großen Einrichtungen bluten – allein das Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) in der Wuhlheide soll 1,3 Millionen Euro weniger erhalten. Aber statt Konzepte zur langfristigen Umstrukturierung der schwerfälligen Jugendeinrichtungen zu entwickeln, werde einfach gekappt.

Doch den Jugendprojekten droht Ungemach nicht nur von Seiten des Senats, auch auf Bezirksebene werden die Ausgaben zur Jugendförderung gekürzt. Neukölln wolle 75 Prozent der Ausgaben streichen, Friedrichshain-Kreuzberg 50 Prozent, beklagt Pop. Am Donnerstag berät der Jugendausschuss erstmals über die geplanten Sparmaßnahmen. Ramona Pop befürcht, dass sich an der Höhe der Einsparungen nicht viel ändert, einzelne Posten ließen sich allenfalls „hin- und herschieben“.

Aus der CDU-Fraktion hagelte es bereits Ende vergangener Woche Kritik. Als Streichung nach der „Rasenmähermethode“ hat der jugendpolitische Sprecher, Sascha Steuer, die geplanten Kürzungen bezeichnet. Er sei sehr verwundert darüber, dass in der Senatsverwaltung keinerlei Konzepte entwickelt worden seien. Stattdessen habe man den Kürzungsvorschlägen „rein formale Kritieren“ zugrunde gelegt. „Ich kann da keine Schwerpunkte erkennen“, sagte Steuer. Er forderte, vor allem Jugendbildungsstätten von den Kürzungen auszunehmen. JAN ROSENKRANZ