Klemmtag für Säcke

In Skandinavien dürfen Männer jetzt einmal im Monat zur Pappografie

STOCKHOLM taz ■ Klemmtage sind eine schwedische Spezialität. Klemmtage sind die Werktage, die sich frech zwischen Feiertage und Wochenenden klemmen. Der Himmelfahrtsdonnerstag ist ein Tag, auf den so ein Klemmfreitag folgt. Der da absolut nichts verloren hat. Stört er doch unverschämterweise das verlängerte Viertageswochenende. Weshalb er regelmäßig völlig zu Recht zum inoffiziellen Feiertag erklärt wird. Dem Klemmtag eben. Da lohnt es sich gar nicht erst zu versuchen, einen Beamten zu erwischen. Manche Verwaltung hängt gleich ein Schild in die Tür: „Geschlossen wg. Klemmtag“. Und in Betrieben ist der Krankenstand regelmäßig rekordhoch.

Jetzt haben die Schweden noch einen Klemmtag bekommen. Und das gleich zwölfmal im Jahr. Allerdings nur, soweit es deren männlichen Teil angeht. Der Klemmtag, zu dem der „Cancerfonden“ (Krebsfonds) jeden ersten Montag im Monat ernannt hat, soll nämlich dazu da sein, „ihn“ zu klemmen – den Hodensack. Wobei allerdings nicht irgendein lustvolles Vorsichhinknuddeln gefragt ist, sondern medizinisch fachgerechtes Zufassen und Abtasten. Möglicher Testikelkrebs soll nämlich so rechtzeitig erkannt werden können. Was den Frauen ihre Brustkrebseigenvorsorge ist, soll den Männern mit gleicher Selbstverständlichkeit der monatliche Griff ans Gemächte werden. Endlich ein weiterer Schritt zur männlichen Gleichberechtigung. Der im Übrigen erste Karikaturisten animierte mit dem Zeichenstift das entsprechende Gegenstück zur Mammografie zu entwerfen: die Pappografie.

Perfekt, wie man in Schweden gern ist, wurde nicht nur ein eigener Tag für den Zugriff geboren. Um Fehlgriffe zu vermeiden erhält jeder Klemmwütige auf der Internetseite manochcancer.nu eine genaue Zufassanleitung. Doch nicht genug damit. Man kann dem Kollegenkreis über E-Post neun verschiedene „Klemmogramme“ schicken: „Schick einen Hodensack. Erinnere einen Freund an seine Eier! Und wie toll es ist, einen Klemmtag zu haben“, heißt es dort. Hinzu kommen eindeutige Zeichnungen und Aufforderungen wie „Knuddel mich!“, mit denen man allerdings lieber nicht die weibliche Mitbelegschaft beglücken sollte, um sich nicht des Vorwurfs sexueller Belästigung auszusetzen. Auch die Texte „Ich sehne mich nach dir“ und „Sag hallo zu meinem kleinen Freund“ weisen auf offenbar noch nicht korrigierte Zweideutigkeiten der „Klemmogramme“ hin: „Deinem“ wäre im letzteren Fall wohl allemal passender gewesen.

Der Empfänger eines solchen „Klemmogramms“ erhält dann neben dem passenden Internetlink eine E-Post mit der Mitteilung: „XY glaubt, dass du dich lange nicht an die Eier gefasst hast.“ Was man deshalb bitte doch gleich nachholen solle: „Klemm ihn. Er ist es wert.“ Wer vergesslich ist, kann auch für sich selbst einen „Klemmtag“-Denkzettel bestellen, der dann pünktlich an jedem ersten Montag im elektronischen Briefkasten an die anstehende Grabbelaufgabe erinnert.

Bei allem Perfektionismus haben die Macher hinter der – in Fachkreisen als erfrischend neuem Ansatz hoch gerühmten – Initiative nur vergessen, den schwedischen Männern einzuschärfen, jetzt bloß die unterschiedlichen Klemmtage nicht durcheinander zu werfen. Also: Der monatliche Montagsklemmtag ist nicht dazu gedacht, blauzumachen. Faules Eierschaukeln ist nicht erlaubt. REINHARD WOLFF