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: Jetzt gefragt: Die Psychologen der Liga

Das Bloß-Nicht-Nicht-Unterhaching-Syndrom

Uhhh, da ist es wieder. Dieses Gespenst, dieses Phantom. Taucht unvermittelt auf, zu Saisonende. Wenn’s spannend wird, wenn’s um die Schale geht. Von Zauberhand. Dann werden „Lähmungserscheinungen“ (Sat.1) diagnostiziert, „immer wieder Verkrampfungen“ (Oliver Kahn). Begleitet von: „Bösen Erinnerungen“ (FAS). Und häufig in Zusammenhang mit Bayer Leverkusen. Das Grauen hat auch einen Namen: UNTERHACHING-GESPENST!

Automatisch klingt die Leverkusener Niederlage gegen Bremen nach – UNTERHACHING! Reflexhaft wird an die „Schmach von Unterhaching“ (dpa) erinnert, an diese „Kurzform für In-letzter-Sekunde-den-Titel-vergeigen“ (Bild am Sonntag). Das nächste Leverkusener Spiel ist in Nürnberg – nur „170 Kilometer entfernt von Unterhaching“ (BamS). Das Bild vom „Ewigen Zweiten“ (FAS) darf auch nicht fehlen – was eine Übertreibung ist: Leverkusen war erst dreimal Zweiter.

Zumindest ist die Form wieder gefunden, in die der Liga-Endspurt medial gegossen werden kann. Denn die braucht es, damit sich die Ware verkaufen lässt. Gut, so ein Effenberg-Playboy-Interview hält sich vielleicht mal eine Woche. Das ist ein Aufreger – bis bemerkt wird, dass man von Effenberg erstens nichts anderes erwarten kann und zweitens nicht wirklich interessiert, was Effenberg zum Sozialhilfesystem in Deutschland so denkt.

Aber wie gesagt: Effenberg hat nichts mehr mit der Meisterschaft zu tun. Noch nicht mal mit der spannungsvollen Inszenierung. Und um die geht es ja – zumindest in den Medien. Diese haben jetzt zwei Wochen Zeit, um zu fragen: Was geht in den Leverkusener Köpfen jetzt wohl vor? Der Antrieb ist die Verkaufe – nicht psychologisches Erkenntnisinteresse. Wäre es das, kämen selbst Hobbypsychologen auf Theorien, die zum Ergebnis hätten: Die Leverkusener könnten getrost „Nerven zeigen“ (Welt am Sonntag). Noch viel mehr: Dadurch, dass in allen Medien zwei Wochen lang das Unterhaching-Gesetz des Versagens aufgeführt und dessen Bestätigung erwartet wird, müsste der Druck geradezu entweichen – denn Leverkusen kann jetzt eigentlich nur noch gewinnen. Meister werden, das Unterhaching-Gesetz auf den Kopf stellen – denn das ist das Unerwartbare.

Auch Dortmunds Denker Matthias Sammer bestätigt das: „Lange Zeit wollten wir Meister werden und haben gepusht ohne Ende. Dann haben wir allen gratuliert, und jetzt sind wir plötzlich wieder im Rennen. Das ist verrückt und macht mich wahnsinnig.“ Was also spukt in den Dortmunder Köpfen: Wahrscheinlich das Bloß-Nicht-Nicht-Unterhaching-Gespenst! THILO KNOTT