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Im Kongo beginnt ein neuer Krieg

Der Dialog ist gescheitert, in mehreren Landesteilen wird gekämpft. Die Karten in Zentralafrika werden neu gemischt

BERLIN taz ■ „Das Schicksal unseres Landes wird immer unklarer und wir fürchten, dass das ganze Land im Krieg versinkt.“ So beschrieb gegenüber der taz ein Delegierter beim „innerkongolesischen Dialog“ in Südafrika die gedrückte Stimmung, als die Gespräche über eine Friedensordnung für das zerfallene Bürgerkriegsland letzten Freitag endgültig platzten. Es war ein Ende mit Schrecken: kein Friedensvertrag, sondern ein Separatabkommen zwischen zwei Gruppen, das die meisten anderen Teilnehmer nicht anerkennen.

Die Regierung von Präsident Joseph Kabila und die von Uganda unterstützten MLC-Rebellen (Kongolesische Befreiungsbewegung) hatten am Mittwoch vereinbart, die Macht in einer zukünftigen Übergangsregierung für den Kongo unter sich allein aufzuteilen: MLC-Führer Jean-Pierre Bemba soll unter Kabila Premierminister werden. Das stieß auf allgemeines Unverständnis, denn Sinn des Dialogs war, alle Kräfte des Landes an einer Übergangsregierung zu beteiligen. Kongos größte Rebellenbewegung, die von Ruanda unterstützte RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), sprach von einem „Staatsstreich“, der internationale Kongo-Vermittler Ketumile Masire von einer „Übereinkunft privater Interessen“. Auch die drei größten zivilen Oppositionsparteien des Regierungsgebiets lehnten die Vereinbarung ab. Regierung und MLC aber fanden, der Dialog sei erfolgreich beendet.

Damit versetzten sie den Gesprächen zu ihrem designierten Ende den Todesstoß. Regierung und MLC weigerten sich am Freitag sogar, eine von Masire als gesichtswahrenden Abschluss des Dialogs gewünschte Erklärung mitzutragen, wonach die Bereitschaft zu weiteren Gesprächen im kleinen Kreis bestehe. Es wurde lediglich Masires Mandat als Kongo-Vermittler verlängert. Das Kabila-Lager sieht sich nun als Sieger, zumal Belgien, Frankreich und die US-Botschaft in Kinshasa das Separatabkommen begrüßt haben.

Wichtig ist jetzt die politische Signalwirkung der Vereinbarung. Die Karten in Zentralafrika werden neu gemischt. „Oberste Bedingung für das Überleben der neuen Koalition wird ihre Fähigkeit sein, gegen die RCD auf dem Schlachtfeld zu bestehen“, schrieb der Politologe Emmanuel Kabongo am Samstag in einer Zeitungsanalyse. „Die RCD braucht ein paar schwere militärische Niederlagen, um verhandlungsfähig zu werden.“

Aus Kabilas Perspektive ist die Ausgangslage für einen neuen Krieg günstig: Mit der MLC würde seine Regierung, die nach wie vor von Simbabwe militärisch unterstützt wird, zum ersten Mal mehr als die Hälfte des Staatsgebietes kontrollieren. Damit lassen sich die RCD-Rebellen im Osten des Landes als Störenfriede hinstellen. Das Modell Angola steht hierbei Pate, mit der RCD in der Rolle der angolanischen Unita-Rebellen, die man diplomatisch isolieren und militärisch besiegen kann.

Hinzu kommt, dass das Separatabkommen die regionalen Allianzen zum Nachteil Ruandas verändert. Bisher waren Ruanda und Uganda, obwohl Rivalen, beide Gegner Kabilas im Kongo. Mit dem Wechsel der MLC zu Kabila stehen nun Uganda und Ruanda nicht mehr auf derselben Seite. Uganda hat sich zwar in den letzten Monaten von der MLC entfernt und favorisiert jetzt kleinere Gruppen – aber diese erwägen, sich der Kabila-MLC-Übereinkunft anzuschließen. Damit würden sie Uganda in einen Krieg gegen Ruanda im Osten Kongos hineinziehen. Das will Ugandas Regierung nicht, – sicherheitshalber hat sie zwei Stellungnahmen zum Separatabkommen abgegeben: eine zustimmende, eine ablehnende.

Eindeutiger ist die Lage für Ruanda, das nun die militärische Flucht nach vorn antreten dürfte. Günstig dafür sind zwei Faktoren: die Entfremdung zwischen Kinshasa und dem früheren Verbündeten Angola, das jetzt eher Kabilas Gegnern im Kongo zuneigt, und die Annäherung zwischen den RCD-Rebellen und Kongos ziviler Opposition. Zeitgleich mit der Verkündung des Separatabkommens meldete sich erstmals ein bewaffneter Arm der größten zivilen Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) zu Wort: In der Stadt Mwene Ditu in der zentralkongolesischen Provinz Ost-Kasai hätten „mehrere Bataillone“ den Kampf gegen „die faschistischen und diktatorischen Machthaber“ von Kinshasa aufgenommen.

UN-Beobachter melden zudem heftige Kämpfe zwischen Ruandas Armee und Kabila-treuen Mayi-Mayi-Milizen im Osten. Die Stadt Shabunda, ein Zentrum des Mineralienhandels, soll von den Milizen umzingelt sein; in der Provinzhauptstadt Kindu, von der UN-Mission als logistische Basis vorgesehen, seien die Kämpfe auf vier Kilometer ans Stadtzentrum herangerückt. Der neue Krieg im Kongo ist längst im Gange, und die Ereignisse beim Dialog waren dafür die Begleitmusik.

DOMINIC JOHNSON

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