Durchbruch in Bosnien

Mit Verfassungsänderungen erhalten die jeweiligen Minderheiten in der „Republika Srpska“ und der „bosniakisch-kroatischen Föderation“ neue Rechte

SARAJEVO taz ■ Mit den Verfassungsänderungen werde Bosnien und Herzegowina wieder zu einem multikulturellen Staat, erklärte der Außenminister und Vorsitzende der stärksten Partei des Landes, der Sozialdemokrat Zlatko Lagumdžija, in einem ersten Statement. Die Entscheidung des „Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft“, Wolfgang Petritsch, vom Freitagabend sei ein „Sieg für Bosnien“, „eine Niederlage der Nationalisten“ und ein „Sieg der europäischen Werte gegenüber der balkanischen Vergangenheit“.

Nach langen Debatten und Verhandlungen mit allen politischen Kräften des Landes hat der österreichische Diplomat entscheidende Verfassungsänderungen in Bosnien und Herzegowina durchgesetzt. So werden in Zukunft in den Regierungen der beiden Teilstaaten, der „Republika Srpska“ und der „bosniakisch-kroatischen Föderation“ die „Minderheiten“, ein wichtiges Wort mitsprechen können. Von 16 Ministern werden in Zukunft je 8 von der Mehrheitsbevölkerung und von den Minderheiten gestellt. In der Republika Srpska wird darüber hinaus eine Nationalitätenkammer neu eingerichtet, in der alle Gesetze, die Belange der Minderheiten berühren, überprüft werden. In der Föderation gab es diese Einrichtung schon. Damit haben die Minderheiten nun auch in den Serbengebieten praktisch ein Vetorecht.

„Alle Bürger Bosnien und Herzegowinas werden an allen Orten durch die Verfassungszusätze rechtlich gleichgestellt“, erklärte Wolfgang Petritsch gegenüber der taz. Zwar musste Petritsch seine Macht als Hoher Repräsentant nutzen und die Verfassungsänderungen oktroyieren. Vor allem die Nationalpartei der Muslime, die SDA, hatte sich quergestellt, weil sie einzelne Punkte, wie die Definition der gemeinsamen Sprache als „bosnische Sprache“, nicht durchsetzen konnte. Widerstände kamen auch aus den Nationalpartei der Kroaten ( HDZ) und jener der Serben (SDS), die jedoch überwunden werden konnten.

Die nichtnationalistische Parteienkoalition „Allianz für den Wandel“, die von den Sozialdemokraten geführt wird, sowie die moderaten Parteien in der Republika Srpska begrüßten ohnehin das Vorhaben. Die muslimische SDA erklärte am Wochenende, auch sie sei bereit, den neuen Verfassungsrahmen zu akzeptieren.

Damit ist in Bosnien und Herzegowina ein politischer Durchbruch gelungen, der sich vor allem auf die rechtliche Situation der Vertriebenen und Flüchtlinge positiv auswirken wird. Zudem wird der Gesamtstaat gestärkt. Petritsch erhofft sich kurz vor Ende seines Mandates am 27. Mai, dass sich die gesamte Atmosphäre in Bosnien und Herzegowina verändern wird. Die politischen Parteien selbst seien von nun an gezwungen, Vertreter der Minderheiten in ihre Reihen aufzunehmen, nur so könnten sie Machtpositionen erlangen oder ausbauen.

Genau zehn Jahre nach Kriegsbeginn und sechseinhalb Jahre nach dem Friedensabkommen von Dayton erfüllt Bosnien und Herzegowina nun die Bedingungen für die Aufnahme in den Europarat, die am 25. April erfolgen soll. ERICH RATHFELDER

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