„Die USA sind nicht so kräftig“

Interview PATRIK SCHWARZ

taz: Herr Volmer, die Nahostmission von US-Außenminister Powell ist gescheitert. Ist jetzt auch der Fischer-Plan tot?

Ludger Volmer: Es handelt sich eher um ein Ideenpapier als um einen festen Plan. Joschka Fischer versucht damit, die verständigungsorientierten Kräfte in beiden Lagern wieder in die Vorhand gegenüber den Hardlinern zu bringen. Eines Tages werden genau die Kompromisse gemacht werden müssen, die heute auf dem Tisch liegen. So wäre es ein Akt der Vernunft, sich das Blutvergießen zu ersparen.

Aber war nicht die Hürde für einen Einstieg in die Fischer-Ideen zu hoch: Ein Waffenstillstand ist nicht in Sicht?

Es gibt im Moment keinen Hebel, den man direkt ansetzen kann. Es gibt keine Tricks, mit denen man den beiden Konfliktparteien die Eskalationspolitik austreiben könnte. Die internationale Gemeinschaft ist an Goodwill nicht mehr zu übertreffen. Letztlich hängt alles vom Willen der Konfliktparteien ab: Wenn sie keinen Frieden wollen, dann hilft auch kein Plan. Fischer versucht, die friedliche Option überhaupt in der Debatte zu halten – statt zu sagen, beide Seiten wollen einander umbringen, und wir sind handlungsunfähig.

Ohne Absicherung durch die USA wird es in Nahost keine Lösung geben. Warum ist von der Regierung Bush zum Fischer-Plan so wenig zu hören?

Die Europäer haben ihr eigenes Gewicht im Nahostprozess nie überschätzt, sondern haben immer die USA als den entscheidenden Player gesehen. Nun hat sich herausgestellt, dass die Supermacht in dieser Beziehung nicht ganz so kräftig ist, wie man gehofft hatte. Deshalb versucht das Ideenpapier dazu beizutragen, ein Quartett zu formen aus UNO, USA, EU und Russland.

Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice hat erklärt, dass sie von einer internationalen Schutztruppe nichts hält.

Man sollte über die Sicherheitskomponente heute noch nicht so ausführlich reden. Wenn die anderen Punkte des Ideenpapiers erfüllt sind, dann wird sich die Sicherheitsfrage viel undramatischer stellen als momentan.

Und deutsche Soldaten könnten den Frieden sichern?

Das deutsche Papier ist für die Israelis eine Zumutung, weil es eine Internationalisierung des Konflikts bedeutet. Israel hat das bislang immer abgelehnt. Man sollte den Gegnern der Internationalisierung nicht weitere Vorwände für ihre Ablehnung liefern, indem man deutsche Soldaten ins Spiel bringt.

Warum schließt Rot-Grün den Einsatz deutscher Truppen in Nahost nicht aus, wie es Edmund Stoiber jetzt tat?

Weil das jetzt eine völlig falsche Debatte ist. Es geht darum, das Grundmotiv Land gegen Frieden zu organisieren. Wenn das gelungen ist, ist so viel gewonnen, dass man auch die Sicherheitsfrage anders diskutieren kann.

Setzen Sie noch Hoffnung in Premierminister Scharon?

Ariel Scharon wird sich Gedanken machen müssen, was denn seine Eskalationspolitik mittelfristig für das Standing Israels in der Welt bedeutet. Dasselbe gilt für die innergesellschaftliche Wirkung des Konflikts.

Manche palästinensischen Fraktionen bauen darauf, dass die israelische Gesellschaft sich infolge der kriegerischen Politik zersetzt. Wir sehen die besondere deutsche Verantwortung für Israel auch darin, kritisch zu fragen, ob die vordergründigen militärischen Siege über die Palästinenser nicht mittelfristig politische Niederlagen bedeuten, die viel schwerer wiegen?