Meine Straßenbahn soll staatlich bleiben

Gewerkschaft Ver.di legt Gutachten gegen die Privatisierung des öffentlichen Nahverkehrs vor

BERLIN taz ■ Busse, Straßenbahnen und Nahverkehrszüge sind Aufgabe der Städte und Landkreise. Brüssel darf sich da nicht einmischen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di bei dem Rechtsanwalt Christofer Lenz in Auftrag gegeben hat.

Hintergrund ist ein Streit zwischen EU-Kommission und Europaparlament. Die Kommission verlangt vollen Wettbewerb im öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV). Alle Strecken sollen künftig weltweit ausgeschrieben werden. Theoretisch könnten dann etwa die Berliner S-Bahnen von einem koreanischen Unternehmen betrieben werden. Das Parlament hat dagegen auf das Subsidiaritätsprinzip hingewiesen und in erster Lesung entschieden: Lokale Angelegenheiten sind vor Ort zu regeln.

Der Gutachter gibt dem Parlament Recht und begründet seine Entscheidung damit, dass die EU im Bereich Nahverkehr „keine Kompetenz“ habe, den Ländern Vorschriften zu machen. Darüber hinaus sei der Vorschlag der Kommission tatsächlich „nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar“. Denn: „Die Regelung verfolgt kein legitimes Ziel, sie ist nicht erforderlich und sie bringt unter Effizienzkriterien keine deutlichen Vorteile mit sich.“ Zu Deutsch: Der ÖPNV funktioniert auch ohne Brüssel zuverlässig und ausreichend effizient. In Berlin deckt der Betrieb laut Berliner Verkehrsgesellschaft mittlerweile 60 Prozent seiner Kosten, vor einigen Jahren waren es noch 30 Prozent.

Die Gewerkschaft Ver.di betonte gestern mehrmals, es ginge nicht darum, Wettbewerb zu verhindern. „Was wir wollen, ist ein fairer Wettbewerb mit hohen Sozialstandards“, sagte Jan Kahmann vom Ver.di-Bundesvorstand bei der Vorstellung des Gutachtens in Berlin. Und BVG-Vorstandssprecher Hilmar Schmidt-Kohlhans fügte hinzu: „Natürlich kriegen wir hier auch polnische Busfahrer für sechs oder sieben Mark die Stunde. Aber dann gingen die privaten Busunternehmen, die ihren Fahrern 10 oder 19 Mark die Stunde zahlen, Pleite.“

Kahmann warnte außerdem vor Oligopolen als Folge von öffentlichen Ausschreibungen. „Schauen Sie nach Frankreich: Dort beherrschen sechs Unternehmen den gesamten Markt.“ Im Übrigen sei das einzige EU-Land, in dem die Fahrgastzahlen zurückgehen, Großbritannien – „das Musterland von Wettbwerb und Deregulierung“.

KATHARINA KOUFEN