„Rot-Rot ist für die SPD nur eine Notlösung“

taz: Herr Schröder, Politiker und Journalisten suchen nach Wahlen immer einfache Antworten. Also: Wer hat Schuld am SPD-Debakel in Sachsen-Anhalt?

Richard Schröder: Schuld ist keine hilfreiche Kategorie. Das suggeriert, man müsse den Wähler nur gut genug manipulieren, dann würde er schon zufrieden sein.

Dann eben so: Wer ist verantwortwortlich? Höppner? Das Magdeburger Modell? Schröder?

Der Kanzler hat mit dem Begriff „Chefsache Ost“ bei den Leuten das Gefühl bedient, dass einer für sie die Probleme löst. Aber die Hauptursache für die Niederlage liegt in Sachsen-Anhalt und bei Höppner selbst.

Inwiefern?

Das Magdeburger Modell, eine SPD-Minderheitsregierung unter Duldung der PDS, war ein Fehler. Vor allem, weil es ideologisch überhöht wurde. Höppner glaubte, die PDS damit klein machen zu können. Das ist nicht gelungen.

Dabei galt Höppner doch immer als der große Versteher der ostdeutschen Seele.

Er hat die Befindlichkeit einer relevanten Gruppe immer sehr gut aufgenommen und artikuliert. Aber eben nur dieser einen Gruppe. Das Magdeburger Modell war ja deswegen nicht zufällig. Höppner hat zu lange verbreitet, dass der Westen Schuld ist an der Wirtschaftsmisere im Osten. Als sein Wirtschaftsminister Matthias Gabriel äußerte, die Ostdeutschen müssten auch selbst bereit sein zuzupacken, da hat Höppner nicht etwa gesagt, dass das ein Teil der Wahrheit sei – er hat seinen Minister entlassen.

Also ist die Lage in Sachsen-Anhalt gar nicht so schlecht, wie Höppner sie gemacht hat?

Natürlich hat Sachsen-Anhalt in wichtigen Wirtschaftsdaten die rote Laterne. Aber die Differenz beispielweise zu Sachsen hinsichtlich der Arbeitslosigkeit ist nicht so groß, wie manche denken. In Sachsen jedoch haben die Leute das Gefühl, es tut sich etwas. Das liegt ganz sicher an spektakulären Ansiedlungen wie VW in Dresden oder BMW in Leipzig. Aber die lösen nicht etwa eine Flut von Arbeitsplätzen aus. Sie wirken eher symbolisch. Meine These lautet: Die Stimmung ist wichtiger als die Lage.

Ist mit dem Scheitern des Magdeburger Modells auch die rot-rote Option in anderen ostdeutschen Bundesländern gescheitert?

Nein. In Ostdeutschland gibt es ein Dreiparteiensystem. Der Erfolg der FDP wird möglicherweise auf Sachsen-Anhalt beschränkt bleiben. In dieser Situation können Sie doch nicht dekretieren, dass nur zwei der drei Parteien koalitionsfähig sind. Das wäre eine verordnete große Koalition auf Dauer.

Sie waren nie ein Freund rot-roter Koalitionen. Was ist los mit Ihnen?

Ich bin auch heute kein Freund von ihnen. Ich bin aber bereit, sie am Kriterium des Erfolgs zu messen. In Mecklenburg-Vorpommern macht die Regierung unauffällig ihre Arbeit. Sachsen-Anhalt zeigt doch vor allem eines ganz deutlich: Die Wähler wollen keine Zusammenarbeit von SPD und PDS, wo es nur um ein sich gegenseitig unterstützendes Selbstbedauern geht.

Rot-Rot ist keine Glaubensfrage?

Nein. Aber für die SPD sollte es nur eine Notlösung sein. Nach dem Scheitern in Sachsen-Anhalt liegen die Vor- und Nachteile einer Zusammenarbeit mit der PDS klar auf dem Tisch. Und wir sollten uns von der fixen Idee verabschieden, wir könnten mit Koalitionen die PDS entzaubern. Geld ausgeben, Jammern, Ressentiments schüren – dabei werden wir die PDS nie übertreffen.

Eine rot-rote Regierung, die jammert, ist abzulehnen – aber eine, die die Probleme löst, ist möglich?

So ungefähr. INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER/JENS KÖNIG