Nervös, verträumt, klassisch

■ Zeitgenössischer Großstadt-Jazz, der nach Hektik, Tempo, Lebendigkeit und Freiheit klingt: Das New Yorker „Sebastian Weiss Quartett“ tritt im Birdland auf

Eloquenz ist der Begriff, der einem zur aktuellen CD des Sebastian Weiss Quartetts einfiele, sollte man diese mit einem Wort beschreiben: momentum bleibt nämlich in seiner Virtuosität und Fundiertheit stets schlüssig, verfällt nie ins Prätentiöse. Der Pianist Sebas-tian Weiss, der seit Jahren zwischen Berlin und der Heimat seines Quartetts, New York, pendelt, empfiehlt sich mit dieser Platte als Musiker mit Vision.

Dabei steht der Ex-Hamburger ganz klar in der großen Tradition des amerikanischen Jazz. Dies inspirierende Erbe wohl als Antrieb zu steter Fortentwicklung verstehend, arbeitet er an der immer wieder zu erneuernden Definition des Pianotrios – das er seit der CD momentum um den New Yorker Altis-ten Miguel Zenon erweitert hat. Dadurch erhält der an Bill Evans, Keith Jarrett und nicht zuletzt Brad Mehldau erinnernde Sound des Trios eine weitere wunderbare Facette: Zur Tiefe des perfekten Zusammenklangs von Schlagzeug, Kontrabass und Flügel gesellt sich die Leichtigkeit, aber auch Dringlichkeit des Altsaxophons.

Im Zusammenspiel der vier ergibt sich daraus ein beeindruckendes Ganzes. Komplexe Rhythmen öffnen sich mal zu Latin-Jazz hin oder lösen sich in freien Passagen auf; schwere, groovige Ostinate oder unisono gespielte Riffs untermalen die zeitgenössischen Jazzkompositionen von Weiss; teils nervöse, teils verträumte, fast klassisch anmutende Themen leiten in die Improvisationen über. Und spätestens in Letzteren wird klar, welch Klasse das Sebastian Weiss Quartett besitzt. Mit Leichtigkeit solieren die Musiker über die Songs, deren Rhythmusgeflecht sie mit großer Freude dekonstruieren. Dem steten Puls verpflichtet, hält – dadurch, dass er sich oftmals einem „straighten feel“ verweigert – vor allem Schlagzeuger Dan Weiss eine permanente Spannung aufrecht.

Was als Technikverliebtheit missverstanden werden könnte, scheint indes vor allem Mittel zum Zweck: Die Reibung und Abstraktion der Rhythmusgruppe entspricht dem nervösen und moder-nistischen Spiel der Solisten ebenso, wie es dieses befördert. Bei aller Kompliziertheit klingt die Musik aber niemals bemüht, denn stets wissen die Musiker, was und vor allem, wozu sie dies tun: „They're burning“, um es einmal einfacher auszudrücken. Das Sebastian Weiss Quartett spielt einen hörenswerten Jazz, der nach Großstadt klingt, nach Tempo und Hektik, Lebendigkeit und Freiheit.

Gerd Bauder

heute, 21 Uhr, Birdland