„In Betreff eines Wunschtraums“

■ Mit „Blauer Zinnober“ setzt sich das unermüdliche Blaumeier-Atelier ein Ausstellungs-Denkmal – völlig zu Recht

Dunkel ists in der unteren Rathaushalle. Hier ist es zwar immer dunkel, doch heute hat, scheints, keiner genug Lampen angeknipst. Was der Betrachtung von Bildern nicht eben zuträglich ist.

Doch dann sieht man, ganz am anderen Ende, Spots, die große Holzschränke bestrahlen. Was ist da los? Hat das umtriebige Blaumeier-Atelier zu guter Letzt noch eine Schrankwerkstatt ins Leben gerufen? Die geschlossenen Türen verleiten geradezu zu der Bemerkung, dass sich von den ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern niemand, aber auch gar niemand zu verstecken braucht. Tut auch keiner. Denn die Türen öffnen sich, gewähren Einblick in eine bizarre Szenerie.

Menschen mit den berühmten Blaumeier-Masken sind da zu sehen; sie spielen, leise, reduziert, und eben dadurch ungemein ausdrücklich Theaterminiaturen. „SchrankArts“ nennt sich dies. Das ist es, was den anderen Bildern und Objekten täglich zwischen halb fünf und sechs das Licht nimmt.

Die Arbeiten der Blaumeier, könnte man sagen, sind so vielseitig, dass sie sich mitunter die Aufmerksamkeit abgraben. Und das ist gut so. Denn eben die Vielzahl künstlerischer Gattungen und Ansätze ist es, die das Blaumeier-Atelier am Leben hält. Mittlerweile schon sechzehn Jahre. Beachtlich! Vielleicht weil hier manches – aber beileibe nicht alles – anders ist als anderswo, feiert man eben das ungerade Jubiläum besonders ausführlich. Oder, wie Malu Thören, die in einer Serie von Post-Nolde-Bildern den Horizont in nördlicher Landschaft immer wieder aufs Neue auspegelt, in der Blaumeier-Zeitung schreibt: „Die Zahl ist gerade – aber ganz rund ist sie nicht. Aber Blaumeier ist ja schließlich auch nicht rund, sondern eher schräg. Schräg ist das Gegenteil von gerade. Demnach müsste also eher der 17. gefeiert werden – zumal es dazu so schöne Lieder gibt. (...) Mit Siebzehn hat man noch Träume “. Das ist ein Argument. Zumal wenn der Traum in verschiedenen Bedeutungs- und Ausdrucksformen ein Zentrum vieler Arbeiten der Blaumeier bildet.

„Blauer Zinnober“ gewährt einen umfassenden Einblick in den Atelieralltag. Arbeiten von 25 KünstlerInnen sind versammelt. Und in der Tat gelingt es den Ausstellungsmachern, so etwas wie ein Flair von Markthalle in den sonst oft so düsteren unteren Teil des Rathauses zu bringen. Eine Einladung zum Hin- und Herschauen – bis ein Geflecht ganz verschiedener Eindrücke entsteht.

Beispielsweise bei einer Serie von Arbeiten Uwe Kreutzkamps. Gegenständliches, klar konturierte Häuser, Fluggeräte oder auch Tiere werden in satten Farben übermalt, mal auch unterlegt. Einen Preis für den schönsten Titel indes bekäme C.X.Y. für „Verschiedenes in Betreff meines Wunschtraums, ein Thema zu einem aufzuführenden Theaterstück selbst zu verfassen...“ Auf verschiedenen comicartigen Tafeln wird das blaumeiersche Grundthema Kunst und Psychiatrie autobiografisch und elegant im Werk selbst reflektiert.

Bilder auch als Bestandsaufnahme und Wunschmaschine – neben einer Uhr steht: „Countdown zu 30 Jahre Nicht-mehr-schüchtern-sein 2008.“ Schüchternheit und Zurückhaltung hat Blaumeier auch längst hinter sich gelassen. Neben all den Kunstwerken – von der kleinen rostigen Metallskulptur bis zum überlebensgroßen Selbstportrait im blauen Kleid, vom Arrangement des Chor Don Bleu bis zu den Masken, von der schrillen Performance mitten in der Ausstellung bis zum Kinofilm im vergangenen Jahr –, neben all diesen Kunstwerken beeindruckt dies am meisten: Dass es den Blaumeiern gelungen ist, die nicht immer selbstverständliche Kunst zur Selbstverständlichen zu machen. Ohne wichtige therapeutische und sozialpolitische Ansätze deswegen zu vernachlässigen.

Tim Schomacker

Bis zum 5. Mai. Geöffnet täglich außer Mo. zwischen 10 und 18 Uhr. Don Bleu singt Freitag und Samstag um 20 Uhr in der Rathaushalle, die Masken spielen Samstag und Sonntag „Schrankreich“um 15.30