Die Böttcherstraße ...

■ ... und ihr völkischer Ursprung

Ludwig Roselius hat Spuren hinterlassen: In den Kaffeetassen unserer herzschwachen MitbürgerInnen (durch die Erfindung des Kaffee HAG) und durch den Neubau der Böttcherstraße mit dem so verdienten Geld. Ab 1923 machte er (beziehungsweise in seinem Auftrag Bernhart Hoetger) die verfallene Handwerkergasse zum späteren Tourismus-Kleinod Bremens.

Dabei herausgekommen ist schöne Architektur, heutzutage untergangen hingegen ist Roselius' Motivation. Und die wurzelte tief in völkischem Denken. Dass diese Zusammenhänge in Bremen langsam wieder diskutiert werden (auch von der Böttcherstraßen-Stiftung selbst) ist zu einem gut Teil das Verdienst der Veröffentlichungen von Arn Strohmeyer.

Strohmeyer machte Quellen zugänglich, die Roselius' Gedankenwelt erhellen. Die Wiedererrichtung bezeichnete der Unternehmer als einen Versuch, „deutsch zu denken“. Denn: „Wir müssen uns in unserem Volkstum verankern und den deutschen Geist unzerstörbar machen.“

Roselius baute sozusagen Germanismen in seine Straße ein, die sich etwa in Form des Atlantis-Hauses mit seinem Odin-Kreuz auf völkische Urmythen bezogen. Deren Kernpunkt: „Niederdeutschland“ sei der Ausgangspunkt der Weltkultur. Zur Untermauerung solcher Theorien beschäftigte Roselius auch den Atlantis-Theoretiker Herman Wirth, den SS-Chef Heinrich Himmler dann zum Leiter der „Stiftung Ahnenerbe“ machte.

Roselius' rassisches Denken hatte unmittelbaren Einfluss auf sein Kunstverständnis. 1936, während des Expressionismus-Streits (der Auseinandersetzung zwischen „modernen“ und völkischen Nationalsozialisten um die „artgemäße“ Kunst), schrieb er: „Paula Becker Ä-ModersohnÜ gehört einer der ältesten, rein niederdeutschen Geschlechter an. Kein Tropfen fremden Blutes floss in ihren Adern. Sie konnte schon deshalb nur rein deutsch schaffen.“ Dass heute in dem von ihm errichteten Paula Modersohn Becker-Museum Künstler wie Lyonel Feininger ausgestellt werden, wäre ganz offenbar nicht im Sinn des Bauhaus-Hassers Roselius.

Strohmeyers neues Buch „Parsifal“ arbeitet nun den Zusammenhang zwischen den Gedankenwelten Richard Wagners und Roselius– heraus. Für beide spielte, soviel ist offensichtlich, der Begriff des „Gesamtkunstwerks“ eine entscheidende Rolle. Ein persönlicher und ideologischer „Verbindungsmann“ zwischen Wagner und Roselius sei Houston Stewart Chamberlain gewesen (Wagners Schwiegersohn), behauptet Strohmeyer. Dessen Rassentheorien hatten großen Einfluss auf den Nationalsozialismus .

Auch die sonstigen politischen Aktivitäten Roselius' können nicht gerade Sympathie hervorrufen. 1917 gründete er, zusammen mit Groß-Admiral Tirpitz und dem späteren Putschisten Wolfgang Kapp, die „Deutsche Vaterlandspartei – die der Historiker Hans-Ulrich Wehler als „protofaschistische Massenbewegung“ kennzeichnet. Auch an der blutigen Unterdrückung der Bremer Räterepublik hatte Roselius offenbar wesentlichen Anteil.

Strohmeyer fasst zusammen: „Roselius gehörte zweifellos zu den Wegbereitern Hitlers. Und: „Die Böttcherstraße ist heute in den Augen der Bevölkerung nur noch eine romantische Märchenstraße, weil der Bezug zu ihrer wirklichen Entstehungsgeschichte verdrängt wurde.“

Henning Bleyl

Heute um 19 Uhr stellt Strohmeyer seinen „Parsifal“ im Paula-Modersohn-Becker-Museum zur Diskussion. Die Einführung hält Ulf-Thomas Lesle vom Bremer Institut für niederdeutsche Sprache