Harvard ohne Doktorhut?

Die Industrie möchte im Herbst eine Elite-Hochschule gründen, um sich den Nachwuchs selber zu ziehen. Ob die Business-School für Promotionen taugt, ist unklar: Es gibt noch kein Seminar-Konzept

„Deutsche Absolventen sind ungeeigneter als die aus den USA“

von CHRISTIAN FÜLLER

Die Herren aus der Wirtschaft wollen sie gerne wie ein Staatsgeheimnis hüten: die neue Hochschule, die diverse Großunternehmen in Berlin gründen wollen. Offizielle Auskunft dazu wird nicht erteilt. Man lässt lediglich durchsickern, was man für besonders wichtig hält. Dass die „European School for Management & Technology“ exzellent, exklusiv und extrem teuer sein werde. Im Herbst soll das Pojekt starten.

Doch die Einrichtung der neuen „Universität“ steckt schon vor ihrer Bekanntgabe voller Ungereimtheiten. Die Unternehmen, die angeblich bereit sind, rund 130 Millionen Euro zu investieren, bitten um eine saftigen Staatszuschuss. Sie beanspruchen das Staatsratsgebäude, eine Immobilie in der Herzkammer der Stadt, für den symbolischen Preis von 1 Euro. Laut Kanzleramt ist die Entscheidung über die hundert Millionen Euro schwere Immobilie noch nicht gefallen.

In Berlin ist die Hochschule willkommen. „Wir würden uns freuen, wenn sie hierher käme“, sagt der Sprecher des Regierenden Bürgermeisters. Klaus Wowereit sei auch bereit, beim Ausräumen aller formalen Hindernisse behilflich zu sein. Die Einrichtung, so viel ist sicher, wird keine Universität werden, sondern eine Business-School für den Nachwuchs des deutschen Topmanagements. Die Initiatoren, zu denen die Deutsche Bank zählt, Thyssen sowie die Hertie-Stiftung, halten die deutschen Universitäten für so schlecht, dass sie den Führungskräftenachwuchs nicht mehr decken könnten. Rolf Breuer etwa, Ideengeber der Business-School und Vorstandssprecher der Deutschen Bank, hält deutsche Hochschulabsolventen pauschal für „ungeeigneter als jene, die in den USA oder London studiert haben“. Die universitäre Ausbildung hierzulande sei „ein Standortnachteil“.

Dem will die Industrie nun begegnen, indem sie die akademische Ausbildung selbst in die Hand nimmt. Rund 350 handverlesene Postgraduierte, das heißt, Studierende mit Abschluss in der Tasche, sollen im Zentrum Berlins den angelsächsischen Abschluss „MBA“ erwerben können. Wissenschaftlicher Vater des Pojekts ist Wulff Plinke. Er leitet die Pateneinrichtung, das Universitätsseminar der Wirtschaft auf Schloss Gracht nahe Köln, und schreibt nebenher das Konzept für die Elite-Einrichtung zusammen. Plinke hat Erfahrung mit Schubladenpapieren. 1996 scheiterte er mit der Idee, an der Humboldt-Uni gesonderte Wirtschaftskurse für zahlungskräftige Studenten anzubieten. Auf Schloss Gracht, wo Plinke hauptsächlich arbeitet, kosten vier Module einer 14-tägigen Veranstaltung 5.000 Euro.

In Kreisen der Unternehmen stößt Plinkes Engagement auf Kritik. Es sei keine glückliche Entscheidung, sagte einer der Initiatoren der Projekts der taz, dass Plinke vom sicheren Wartesessel einer staatlichen Hochschule aus das Konzept für eine private verfasse. Der Berliner Wirtschaftsprofessor Plinke hat sich von seinem öffentlichen Arbeitgeber, der Humboldt-Universität, nur beurlauben lassen – mit Rückkehrrecht, falls das Projekt misslingt.

Plinke und die Bosse wollen ein europäisches Harvard gründen. Dafür aber brauchen sie Spitzenprofessoren. Und die wiederum bekämen sie nur, wenn die neue Hochschule das Promotionsrecht hätte. Also wird der Berliner Senat alsbald auch privaten Hochschulen in Berlin die Möglichkeit einräumen, Doktorhüte zu vergeben. Ob Plinkes Konzept dafür taugt, lässt sich bisher schwerlich beurteilen. Die Industrie hat noch kein Konzept ihrer Elite-Uni eingereicht – drei Wochen ehe der Vorstandschef der Thyssen-Krupp AG, Gerhard Cromme, die Business-School vorstellen will.