Anonym entbinden

Gesetzentwurf soll anonyme Geburten in Krankenhäusern legalisieren. Terre des hommes bezweifelt Erfolgschancen

BERLIN taz ■ Mehrere Bundestagsfraktionen haben gestern über einen Gesetzesentwurf beraten, der anonyme Geburten legalisieren soll. SPD, Grüne und CDU, so hieß es aus den Fraktionen, befürworten den Vorstoß. Jede Frau könnte dann in einem Krankenhaus anonym ein Kind entbinden und zurücklassen, ohne rechtswidrig zu handeln. Am Freitag soll der Entwurf im Bundestag beraten werden.

„Wir setzen noch vor der Babyklappe an“, sagte gestern Irmingard Schewe-Gerigk (Grüne) zur taz. Das Gesetz soll verhindern, dass Frauen in Notsituationen ein Kind ohne medizinische Hilfe bekommen. Jährlich werden in Deutschland rund 40 ausgesetzte Kinder gefunden – die Hälfte von ihnen tot.

Das Gesetz soll regeln, was schon lange Praxis ist. Bereits jetzt entbinden Frauen in Krankenhäusern, ohne ihren richtigen Namen anzugeben, und lassen das Neugeborene zurück. Weil nach dem bisherigen Personenstandsgesetz Geburten binnen einer Woche beim Standenamt gemeldet werden müssen, begehen sie damit aber bisher eine Ordnungswidrigkeit.

Das soll sich ab Herbst ändern. Die anonyme Geburt wird beim Standesamt angezeigt, die Eintragung erfolgt nach acht Wochen – damit die Mutter ihre Entscheidung ohne rechtliche Folgen ändern kann.

Die Vormundschaft geht nach der Geburt sofort ans Jugendamt, um zu verhindern, dass Hilfsorganisationen des Kinderhandels bezichtigt werden.

Zweifel am Erfolg der geplanten Neuregelung äußert das Kinderhilfswerk terre des hommes. „Frauen, die in Panik gebären, handeln nicht rational. Wer sein Kind direkt nach der Geburt aussetzt, ist durch das Angebot nicht erreichbar“, sagt Bernd Wacker von terre des hommes. Er erinnert auch an das Recht des Kindes, seine Herkunft zu kennen, das in den UN-Kinderkonventionen festgeschrieben ist.

Die Grüne Schewe-Gerigk dagegen glaubt, dass durchaus ein Teil der Frauen erreichbar ist, weil das neue Gesetz „sehr geringe Schwellen für die Frau vorsieht“. Beim Recht auf Herkunft müsse man abwägen. „Was hat ein Kind, das in den Müll geworfen wird, davon, wenn es seine Herkunft kennt?“ Nach dem neuen Gesetz kann die Mutter einen Brief hinterlassen, in dem sie etwa Gründe oder die Herkunft aufschreiben kann. Der Brief wird standesamtlich hinterlegt, das Kind kann ihn lesen, wenn es 16 ist.

Wer allerdings die Kosten für die Entbindung tragen soll – dafür hat der Gesetzesentwurf keine Lösung. Bei staatlichen Hilfsangeboten muss eine Bedürftigkeit nachgewiesen werden, was bei einer anonymen Geburt nicht möglich ist. Bisher werden die Kosten von Vereinen und Krankenhäusern übernommen. NICOLE JANZ