spd-wahlkampftaktik
: Es kommt nicht nur auf den Kanzler an

Der Kanzler ist beliebt, die Regierung nicht. Deshalb setzen die SPD-Wahlstrategen ganz und gar auf Gerhard Schröder. Das ist nahe liegend, bequem – und falsch. Denn dieser Kurs wird uns nicht nur einen öden Wahlkampf bescheren, er wird der SPD auch nicht helfen.

Kommentarvon STEFAN REINECKE

Denn Image ohne Inhalt, Personenwerbung ohne Profil mögen die Wähler nicht. Das zeigt ein Blick nach Paris, wo Jospin mit dieser Strategie scheiterte. Schröder mag charismatischer sein als Jospin – eine Figur, die eine historische Mission repräsentiert, ist er nicht. Er ist weder Adenauer noch Brandt, kein Name, der für sich selbst spricht.

Deshalb braucht Schröder ein Kontrastmittel, einen Gegner. Denn nur vor dunklem Hintergrund erscheint unser Kanzler als moderne, fortschrittliche, weltoffene Lichtgestalt. Doch Stoiber sagt beharrlich weder Bemerkenswertes noch Skandalöses und macht sich stattdessen im Mittelmaß unsichtbar.

Die SPD setzt auf die Person, das Programm ist entsprechend bescheiden. Es bleibt im Ungewissen, auch wo es längst Zahlen, Termine, Absprachen gibt. Die ausweichende Rhetorik spiegelt eine in der Tat schwierige Lage. 1998 galt es vom Atomausstieg bis zur Einwanderung genug zu reformieren. Und heute? Nur die Familienpolitik. Nicht zufällig verspricht die SPD nur dort Konkretes: mehr Kindergeld und Ganztagsschulen. Das ist richtig, allerdings nicht richtig originell.

Bei den unangenehmen Themen, der Gesundheit etwa, bleibt vieles wolkig. Die medizinische Versorgung wird weder schlechter noch teurer, verspricht die SPD. Diese Ankündigung dürfte ein ähnlich baldiges Verfallsdatum haben wie die Aussage, von 1998, Blüms Rentenkürzung zurücknehmen zu wollen.

Muss das so sein? Hans Eichels unerwartete Popularität hat gezeigt, dass das Publikum nicht so infantil ist, wie SPD-Wahlkampfmanager denken. Gerade eine linke Regierung kann mit Verzicht Punkte machen – wenn sie glaubhaft vermittelt, dass sie das Nötige gerecht tut. Konkret: Der SPD könnte sich die Tobin-Steuer und das Sparen auf die Fahne schreiben. Zu beidem fehlt ihr der Mut. Sie hat sich aus Furcht vor Inhalten selbst gefesselt. Jetzt kann sie nur noch warten und hoffen: dass der Aufschwung doch noch kommt, dass Stoiber sich doch noch als Provinzreaktionär zu erkennen gibt.

Die Kampa-Strategen setzen auf einen alten Slogan: Auf den Kanzler kommt es an. Damit ist schon mal jemand angetreten: Kiesinger 1969. Kanzler wurde er damit bekanntlich nicht.