herr tietz macht einen weiten einwurf
: FRITZ TIETZ über Stinkefinger und Raucherbeine

Es lebe die Spaßgesellschaft

Zwei Spieltage noch, aber ich leg mich fest: Deutscher Meister wird Bayern München. Leverkusen schafft allenfalls den dritten Platz. Zweiter wird, wenn auch nur dank eines geschenkten Elfers in der 93. Minute, Borussia Dortmund. Absteiger sind St. Pauli, Köln und, nein, nicht Nürnberg (die hauen nächsten Sonnabend Leverkusen weg und demütigen dann St. Pauli), sondern Freiburg. Neben Hannover rücken Mainz und auch mal wieder die Arminia aus Bielefeld (bereits zum sechsten Mal) in die 1. Liga auf. So weit meine sichere Prognose, was den Ausgang der aktuellen Bundesligasaison betrifft. Wer Weltmeister wird, sage ich dann, und mindestens genauso zuverlässig, das nächste Mal voraus.

Ungewiss hingegen ist, ob sie Stefan Effenberg in den letzten beiden Meisterschaftsspielen noch mal auflaufen lassen. Heute will Trainer Hitzfeld darüber entscheiden. Unterdessen hält der Wirbel um den Münchner Ausnahme-Arier weiter an. Die allseits heftige Empörung wegen seiner Arbeitslosen-Äußerung überrascht insofern, da doch solche Hetze in Deutschland mittlerweile zum Standardrepertoire des politischen Mainstreams gehört. Gerhard Schröders Rede unlängst wider die faulen Säcke und das angeblich verbreitete Drückebergertum war schließlich auch schon so eine eklige Effenbergerei. Aus irgendeinem Kader gestrichen wurde der Kanzler deswegen nicht. Und überhaupt: „Warum soll nicht auch ein Profikicker unbequeme Wahrheiten aussprechen dürfen,“ verteidigte etwa ein Mario Ohoven, Bundesverbandspräsident der mittelständischen Wirtschaft, Effenbergs Recht auf freie Meinung und bestätigte zudem des Kickers Eindruck: „Unter den Arbeitslosen gibt es unbestritten viele Drückeberger.“ Auch in seinem Verein Bayern München, so erzählt Effenberg, hätten ihm viele Recht gegeben. Na bitte! Im Übrigen ist man angesichts der loserfeindlichen Stimmung im Lande fast schon wieder dankbar, wenn Leute von der Sorte Effenbergs die Arbeitslosen nur um ihre Stütze und nicht gleich um ihren Kopf kürzer zu machen fordern.

Emsig gefordert wird derzeit auch im Bundesinnenministerium, und zwar bezüglich der übernächsten Fußball-WM in Deutschland. Alexander Freiherr von Fircks heißt hier der Vordenker einer innenministeriellen Projektgruppe, der sich laut Spiegel wünscht, dass in deutschen WM-Stadien nicht geraucht wird. „Sport und Rauchen gehören einfach nicht zusammen“, begründet Fircks diese Maßnahme gegen die „Volkskrankheit Rauchen“. Er will, dass in den Arenen spezielle Ecken eingerichtet werden, in die sich Raucher zurückziehen können.

Das müssten allerdings ziemlich große Ecken sein. Und das würde auch einige Umbauten erfordern, wenn noch zusätzlicher Raucherraum in den Stadien geschaffen werden müsste. Vielleicht wären Raucherbalkone, an den Tribünenrückseiten angebracht, die nicht nur platzsparendste, sondern auch architektonisch reizvollste Lösung. Natürlich müsste man das Fifa-Regelwerk dahingehend erweitern, dass fortan zwei, drei zigarettenlange Rauchpausen pro Halbzeit eingelegt werden. Denn die in den Ecken oder auf den Balkonen rauchen, sehen ja währendessen nichts vom Spiel. Ohne Raucherpausen aber führte ein Stadionrauchverbot sicher dazu, dass ein ständiges Kommen und störendes Gehen wäre auf den Rängen. Wie’s ja jetzt schon immer nervt, wenn welche mitten im Spiel sich ein Bier holen müssen. Die Unruhe würde aber ungleich höher sein, denn Bierholer holen oft nicht nur für sich, sondern bringen meist gleich den Kollegen ihre Biere mit. Für die Kumpel kurz mal draußen eine mit rauchen geht aber schlecht.

Freiherr Fircks ist übrigens davon überzeugt, dass der Staat „der Spaßgesellschaft gewisse Dinge einfach vermiesen“ müsse. Dass er für 2006 möglicherweise auch eine Antispaßattacke gegen das ja ebenfalls recht unsportliche Betrachten von Fußballspielen reiten will, wurde vom Innnenministerium bisher aber nicht bestätigt.

Fotohinweis:Fritz Tietz, 43, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.