Bedenkliche Entwicklungen

betr.: Präsidentschaftswahlen in Frankreich

Nach dem Wahlsieg der „Freiheitlichen“ in Österreich machte ein Reiseboykottaufruf die Runde. Diese Logik ist aber schon lange vergessen worden. Aktuell müsste dieser Aufruf sich auf folgende Länder beziehen: Österreich (Koalition mit Haider), Dänemark (Koalition mit Kjærsgaard), Frankreich (Wahlergebnis Le Pen), Italien (Frage der Rechtsstaatlichkeit der Regierung).

Schon gemerkt? Dabei handelt es sich um der Deutschen liebste Reiseziele. Und es ist ja nicht so, dass das schon alles wäre. Auch in der Schweiz gibt es bedenkliche Entwicklungen, ganz abgesehen natürlich von vielen der exotischen Ziele aus den Hochglanzprospekten. Dass mit einem Flugticket auch politisch gewählt wird, sollte allerdings nicht erst seit dem Anschlag von Djerba klar sein. INGA BÜHLER, Heide

betr.: „Le Pen viel stärker als erwartet“, taz vom 22. 4. 02

Als Deutsche in Frankreich erlaube ich mir einige Anmerkungen zum Nichtwählen in Frankreich, denn ich glaube, dass diejenigen, die nicht zur Wahl gingen, diesen Ausgang weder gewollt noch erwartet haben.

Warum? Erstens schien der Ausgang für die Stichwahl immer klar Chirac – Jospin zu lauten, und wenn sich dann Schwierigkeiten häufen, sein Wahlrecht auszuüben, ist eine Enthaltung, wenn auch dumm, so doch verständlich. Zunächst einmal muss sich ein(e) frischgebackene(r) 18-Jährige(r) auf Wahllisten eintragen, was wohl mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, denn ich kenne einige Fälle, wo willige Wähler(innen) es nicht geschafft haben, rechtzeitig auf den Listen eingeschrieben zu sein.

Schlimmer ist jedoch das System der „Procurations“, der einzigen Möglichkeit für Abwesende, am Wahltag ihre Stimme abzugeben. […] Sie zu erhalten ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, und es gibt weder die Möglichkeit einer Briefwahl noch ähnlicher Ausweichmöglichkeiten. Dieses trifft vor allem Studenten, die meist in ihrer Heimatstadt auf den Wahllisten eingeschrieben bleiben. Um eine Procuration durchzubekommen, muss ein bürokratischer Hürdenlauf überwunden werden, den wohl nur die Motiviertesten durchstehen. Fehlerlos ausgefüllte Formulare, Bescheinigungen über Wohnort und Atteste (zum Beispiel von der Universität, die bestätigen muss, dass man am entsprechenden Sonntag in einer Examensphase ist), die bescheinigen, warum es unmöglich ist, am Wahltag nach Hause zu reisen (als wären die hohen TGV-Preise nicht Grund genug).

[…] CLAUDIA FRITSCHE, Lille, Frankreich