Mister Dschihad und seine Anhänger

Angeblich besteht die Tawhid-Gruppe aus Anhängern des in London lebenden und lehrenden Islamisten Abu Qatada. Der wiederum gilt als „Botschafter Bin Ladens in Europa“, streitet Verbindungen aber ab – und ist untergetaucht

GÖTTINGEN taz ■ „Es gibt keinen Gott außer Gott“ – dieser erste Teil des islamischen Glaubensbekenntnisses wird al-Tawhid genannt. In ihm drückt sich der Glaube an einen einzigen, allmächtigen Gott aus. Kein Wunder also, dass sich islamische Gruppen, Organisationen und Moscheegemeinden auf der gesamten Welt „al-Tawhid“ nennen. Und ebendiesen Namen haben für ihre konspirative Zelle anscheinend auch jene elf Muslime gewählt, die am Montag wegen des Verdachts, Terroranschläge in Deutschland geplant zu haben, festgenommen wurden.

Nach Angaben von Generalbundesanwalt Kay Nehm handelt es sich bei al-Tawhid um ein loses Netzwerk, das sich im Dunstkreis des „spirituellen Führers“ Abu Qatada gebildet habe. Damit ist höchstwahrscheinlich Omar Mahmud Abu Omar, besser bekannt als Abu Qatada al-Filistini, gemeint – ein jordanischer Staatsbürger palästinensischer Herkunft, der in einer Londoner Moschee in der Baker Street predigt.

Zu Abu Qatadas Schülern zählte nach dessen eigenen Angaben auch der nach den Anschlägen vom 11. September in den USA inhaftierte Zacharias Moussaoui. Der im Juni 2000 in den Vereinigten Arabischen Emiraten wegen der Planung von Anschlägen in Europa verhaftete Al-Qaida-Kader Djamel Beghal war vermutlich ebenfalls ein Schüler Abu Qatadas. Und auch Muhammad Atta hatte angeblich Videokasetten mit Predigten des 40-jährigen Islamisten in seiner Wohnung in der Hamburger Marienstraße. Britische Geheimdienstler halten Abu Qatada deswegen für den „Botschafter Bin Ladens in Europa“.

Verbindungen zu Bin Laden hat Abu Qatada bisher allerdings immer bestritten. Er habe Bin Laden leider verpasst, als er 1990 nach Pakistan gereist sei, erzählte Abu Qatada freimütig in einem Interview vom Dezember vergangenen Jahres. „Ich hätte ein Treffen mit ihm nicht geleugnet. Ich wäre stolz darauf gewesen“, sagte er. Die Anschlge auf World Trade Center und Pentagon mochte er nicht verurteilen.

Nach eigenen Angaben arbeitete Abu Qatada ab 1990 für einige Jahre als Professor für Scharia-Recht im pakistanischen Peschawar. 1993, nach seiner Rückkehr nach Jordanien, musste er von dort wieder fliehen, weil er angeblich Terroranschlge gegen Touristen geplant hatte. Er wurde 2000 in Abwesenheit verurteilt und erhielt schlielich in Grobritannien Asyl.

Abu Qatada ist einer der einflussreichsten Dschihadisten in Europa, seine Kassetten und Pamphlete werden in ganz Europa verteilt. Letzte Woche lieen die britischen Behörden sein Guthaben einfrieren. Es soll sich dabei um 270.000 Dollar gehandelt haben. Abu Qatada bestreitet dies. Er sei auch kein Mitglied irgendeiner Organisation, wiederholt er immer wieder. Er gab aber Kontakte zur radikalislamischen algerischen GIA zu. Ob irgendwelche seine Schüler sich in Afghanistan ausbilden lieen oder Anschlge planten, sei ihre eigene Entscheidung, betont Abu Qatada. Er predige nur den Islam. Mittlerweile berichten die Agenturen, Abu Qatada sei untergetaucht.

Ob die elf in Deutschland festgenommenen mutmalichen Terroristen Abu Qatada jemals persönlich trafen, nur durch seine Predigten inspiriert wurden oder ob die gesamte Verbindung gar nicht besteht, ist zu diesem Zeitpunkt unklar. In einer Publikation des amerikanischen Washington Institute for Near East Policy vom Ende des vergangenen Jahres wird ein „Abu Qatada“ allerdings mit einer Organisation namens al-Tawhid in Verbindung gebracht. Noch im Juli 2001 sollen Mitglieder zum Training in Al-Qaida-Camps nach Afghanistan geschickt worden sein. Allerdings ist nicht klar, ob dieselbe Gruppe und derselbe „Abu Qatada“ gemeint sind. Das Washington Institute berichtet auch, jener „Abu Qatada“ habe Bin Laden sehr wohl getroffen und seine Gste bei einem Abendessen im August 2001 mit Anekdoten von der Begegnung unterhalten. YASSIN MUSHARBASH