Todesschüsse von Dr. Jekyll

Schill will Hamburger Polizeigesetz letal verschärfen  ■ Von Kai von Appen

Die Schill-Partei hat erneut einen Böller in der sicherheitspolitischen Debatte explodieren lassen. Nach der Bürgerwehr kommen nun Schlagwörter wie „finaler Rettungsschuss“, „Vorbeugegewahrsam“, „Verbringungsgewahrsam“ und „verdachtsunabhängige Personenkontrollen“ aufs Trapez.

Offiziell spielt Innensenator Ronald Schill zurzeit Dr. Jekyll & Mr. Hyde: Als Chef der Innenbehörde übt er sich in Zurückhaltung. „Es gibt Vorschläge zur Änderung des Polizeigesetzes, die sich zurzeit in der politischen Abstimmungsphase in den Fraktionen der Koalition befinden“, sagt Behördensprecher Hartmut Kapp. „Der Innensenator gibt dazu keine Stellungnahme ab.“

Doch tatsächlich tragen die im Raum stehenden Vorschläge deutlich die populistische Handschrift des Parteivorsitzenden Schill. Neben der gesetzlichen Verankerung des Todessschusses in Nothilfe sollen die Vorschriften des Gesetzes zur Sicherheit und Ordnung (SOG) drastisch verschärft werden. So sollen PolizistInnen Personen ohne jeglichen Verdacht überprüfen dürfen – ein eklatanter Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht.

Ferner soll der so genannte Verbringungsgewahrsam offiziell eingeführt werden, der von der Staatsanwaltschaft im Zuge des Polizeiskandals 1994 als „menschenverachtende Maßnahme“ gerügt worden ist. Im Klartext: Eine auffällig gewordene Person wird nach der Überprüfung zur Strafe außerhalb Hamburgs an der Periferie abgesetzt. Nach den Vorstellungen Schills sollen zudem künftig Verdächtige bis zu zehn Tage ohne richterliche Überprüfung in Polizeizellen verschwinden können, bei Bagatelldelikten sollen Platzverweise für das gesamte Stadtgebiet verhängt werden können.

Der Hamburger Anwalt und Sicherheitsexperte Christian Busold hält diese Vorschläge für „gefährlich“, da der Rechtsblock derartige Regelungen mit seiner Mehrheit tatsächlich als Gesetz verabschieden kann, bevor sie einer verfassungsrechtlichen Überprüfung unterzogen werden können.

Bei seinen Koalitionspartnern lösen Schills Vorstellungen Unbehagen aus. Der CDU-Innenpolitiker Heino Vahldieck wollte sich gestern zu den Vorschlägen nicht äußern, bevor die parteiinterne Diskussion abgeschlossen ist. Für den FDP-Fraktionschef Burkhardt Müller-Sönksen, dessen Partei alle alten liberalen Grundsätze über den Haufen werfen müsste, ist das „ein Versuch Schills nachzuverhandeln, was die FDP aus dem Koalitionsvertrag herausverhandelt hat“. So sei der Vorschlag „absurd“, ohne richterliche Anordnung Menschen zehn Tage hinter Gittern verschwinden zu lassen: „Wir sind doch keine Bananenrepublik“, glaubt Müller-Sönksen.

Lediglich beim finalen Rettungsschuss zeichnet sich Zustimmung ab: „Damit wird die Schwelle des Einschreitens nicht gesenkt, sondern nur gesetzlich konkretisiert“, hofft der Liberale. Die Tötung sei dann „nicht mehr allein die Gewissensentscheidung des Beamten.“