STN Atlas geht an die IG Metall

■ Die Ingenieure vom Rüstungs-High-Tech-Betrieb wählten die alte Angestellten-Gewerkschaft ab und vertrauen nun der IG Metall

Der Bremer Rüstungselektronik-Betrieb STN Atlas hat eine neue Betriebsratsvorsitzende: Dagmar Muth heißt sie. Erstaunlich ist nicht nur, dass die ganz überwiegend männliche Belegschaft eine Frau als Vertreterin wählte, sondern auch ihre Gewerkschaftszugehörigkeit: Jahrelang hatte die DAG die Mehrheit im Betrieb. Die Verschmelzung mit der Dienstleistungsgewerkschaft „Verdi“ hat den alten DAG-Betriebsräten keine neuen Stimmen gebracht, sondern sie viele der alten gekostet. Von 21 Betriebsratssitzen hat Verdi nur noch vier, 14 gewann die IG Metall. Nur kurz nach diesem Wahlergebnis Mitte März beschloss das DGB-Schiedsgericht, dass Verdi sich ganz zurückziehen und den Betrieb der IG Metall überlassen soll. Demnächst findet eine Versammlung der Verdi-Mitglieder bei STN statt, auf der es darum geht, ob man zum innerbetrieblichen Gegner IG Metall überlaufen soll. In vier Jahren dürfen die Verdi-Kollegen voraussichtlich bei STN nicht einmal mehr zur Wahl antreten. „Ein Betrieb – eine Gewerkschaft“ lautet das Prinzip des DGB.

Der Betriebsrat unter Kollaborationsverdacht

Die Niederlage der alten „Deutschen Angestellten-Gewerkschaft“ (DAG) ist weniger ein Protest gegen die Verschmelzung mit Verdi, sondern hat „innerbetriebliche Gründe“, sagt Lutz Kokemüller, früher DAG-Mann und nun stellvertretender Verdi-Geschäftsführer. „Uns wurde zu große Arbeitgebernähe vorgeworfen.“ Um Entlassungen zu verhindern, hatte sich die DAG auf 25 unbezahlte Stunden für alle eingelassen. Und die DAG/Verdi hatte nicht so heftig wie die IG Metall gegen den Austritt von STN aus dem Arbeitgeberverband protestiert. Um die Folgen wird es in den kommenden Wochen gehen: Wenn es in Norddeutschland um Solidarität mit den baden-württembergischen Kollegen im Streik geht, dann „können wir nicht mitstreiken“, sagt die neue Betriebsratsvorsitzende. Denn direkt ist STN nicht vom Tarifabschluss betroffen. Der Arbeitgeber hat signalisiert, dass er die Ergebnisse übernehmen wird, aber vielleicht mit einer Variante. Ein Teil der Lohnerhöhung, so das Denkmodell, soll in einen „Bonustopf“ einfließen und am Jahresende je nach Unternehmenserfolg ausgezahlt werden – oder nicht. Darüber muss der neue Betriebsrat demnächst mit der Unternehmensleitung verhandeln. Dabei wird es auch um die Flexibilität der Arbeitszeit gehen. Bei diesen Verhandlungen wollte die klare Mehrheit der 2.900 Beschäftigten offenbar die weniger kompromiss-bereite IG Metall als Vertreter am Tisch haben.

In Bremen ist die IT-Branche kaum existent

Warum der Betrieb auch vom DGB der IG Metall zugeordnet wurde, das weiß Freddie Dietze, der „Fachbereichsleiter Dienstleistung/IT“ von Verdi, noch nicht genau. Er wartet auf die Begründung aus Düsseldorf. Denn tatsächlich ist STN ein klassischer „IT“-Betrieb. Aber beim DGB ordnet man alle Rüstungsbetriebe der IG Metall zu. Der DGB hat mit seinem Schiedsspruch vorsichtshalber bis nach der Betriebsratswahl gewartet. Da auch die Flugzeugbauer von EADS nicht zum IT-Bereich von Verdi gehören, ist der größte IT-Betrieb in Bremen die alte Telekom. Auch die Postgewerkschaft war in Verdi aufgegangen. Für die gewerkschaftliche Vertretung hat das Folgen: Einen eigenen Fachbereichsleiter für IT-Berufe hat Verdi in Bremen nicht, Tietze arbeitet von Hannover aus. In den kleinen IT-Firmen ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad minimal, und „was größeres gibt es ja nicht“, neben der Telekom, sagt Tietze. Diese Organisationsstruktur spiegelt – wie die fehlende Nachfrage aus Bremen nach „Green-Card“-Spezialisten – wider, wie wenig die IT-Branche an der Weser entwickelt ist. Von der „InnoVision2010“ des Wirtschaftssenators Josef Hattig (CDU), der Bremen zu einer der zehn wichtigsten IT-Städte Deutschlands machen will, scheint die Hansestadt noch mehr als acht Jahre entfernt. K.W.