Geld verdienen auf eigene Rechnung

Mehr als 20 Prozent des Bruttoinlandproduktes werden in Berlin schwarz erwirtschaftet. In Baden-Württemberg sind es nur 13,6 Prozent. Experten machen die hohe Zahl der Arbeitslosen für diese Situation mit verantwortlich

Berlin ist die Hauptstadt der informellen Beschäftigung – landauf, landab Schwarzarbeit genannt. Zu diesem Ergebnis kommt Friedrich Schneider, Ökonom an der Universtität Linz. Nach seinen Untersuchungen weist die Haupstadt einen Anteil von 21,6 Prozent Schattenwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt auf. Bundesweit sind es rund 16,3 Prozent, im reichen Baden-Württemberg sind es nur rund 13,6 Prozent.

Der Anteil der Schwarzarbeit ist in Berlin traditionell hoch – er ist aber auch in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. 1997 lag er noch bei 19,7 Prozent. Besonders betroffene Branchen: das Baugewerbe, Autoreparaturen, Gaststätten. Hoch ist der Anteil aber auch im Bereich Erziehung und Unterricht, im Gesundheitswesen und bei den häuslichen Diensten – die Nachhilfekraft, private Pflegehilfe oder Putzfrau wird eben selten auf Rechnung bezahlt.

Besonders augenfällig ist der Anteil der Schattenwirtschaft im Baugewerbe, zu dem auch die vielen kleinen Wohnungs- und Hausrenovierungen zählen. In Berlin stieg er von 42,8 Prozent im Jahr 1997 auf 53,3 Prozent im Jahr 1999; neuere Zahlen liegen nicht vor. Da aber gleichzeitig die Bautätigkeit insgesamt deutlich zurückgegangen ist, haben andere Bereich die Bedeutung der Baubranche übernommen.

Die Ursachen dafür sind vielfältig. In Berlin sind sie in der besonderen Beziehung von Nachfrage und Angebot nach Schwarzarbeit zu suchen. Der Ökononom Schneider, der die Länder Berlin und Brandenburg eingehend untersucht hat, führt das „wesentlich ausgeprägtere Ausmaß an Schattenwirtschaft“ in Berlin zum einen auf das „reiche Westberlin“ zurück, in dem sicherlich mehr Nachfrage nach Schattenwirtschaft und Dienstleistungen bestehe. Zum anderen liege dies an der höheren Wirtschaftstätigkeit Berlins.

Zudem ist der Anteil der Schattenwirtschaft in Ballungsgebieten ohnehin höher als in Flächenländern. Klaus Pohl, Sprecher des Landesarbeitsamtes: „Die Anonymität der Großstadt schützt davor aufzufallen.“ Im Klartext: Während sich auf dem Dorf Nachbarn zumeist eifersüchtig beäugen, ist es in einem Mietshaus meist egal, wer zwei Stockwerke höher werkelt.

Zur höheren Nachfrage nach Schwarzarbeit kommt in Berlin noch das höhere Angebot – überdurchschnittlich viele Arbeitslose, die sich einen Euro hinzuverdienen wollen, und viele Nichtdeutsche, die keine Arbeitserlaubnis haben. Mit Blick auf Baden-Württemberg stellt der Volkswirtschaftler Schneider fest: Trotz vieler wohlhabender Privatleute, die als Auftraggeber für Schwarzarbeit in Frage kämen, verhindere die geringe Arbeitslosigkeit einen Anstieg der potenziellen Schwarzarbeiterzahl. Für Arbeitsamtssprecher Pohl ist deshalb klar: „Der Anteil der Schwarzarbeit geht zurück, wenn sich die wirtschaftliche Lage bessert.“ RICHARD ROTHER