Scharping wieder im Erklärungsnotstand

Staatssekretärin: Schadenersatzpflicht, falls Deutschland weniger als 73 Airbusse kauft. Nicht nur die CDU empört

BERLIN taz ■ Der Streit über die geplante Beschaffung von 73 Militärtransportmaschinen, der zunächst beigelegt schien, geht in die nächste Runde – und die Kritik an Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) wird immer schärfer. Nach Ansicht von FDP-Politiker Jürgen Koppelin hat Scharping entweder „einen nationalen Verfassungsbruch oder einen internationalen Vertragsbruch“ zu verantworten: „Es herrscht das totale Chaos.“

Das ist wohl wahr. Im Kern geht es bei dem Konflikt um die Frage, ob Deutschland gegenüber den anderen am Projekt beteiligten Partnerländern schadenersatzpflichtig wird, wenn es weniger als die ursprünglich zugesagten Flugzeuge vom Typ Airbus A400M abnimmt. Bisher hat das Parlament nämlich lediglich 5,1 Milliarden Euro für das Projekt bewilligt – zu wenig für alle 73 Maschinen. Über die noch fehlenden Mittel soll der nächste Bundestag entscheiden. Verpflichtungen, die entweder zum Kauf aller Flugzeuge oder zu Schadenersatz verpflichteten, verletzen nach Ansicht aller Fraktionen den haushaltsrechtlichen Parlamentsvorbehalt.

Bis vor zwei Tagen sah es so aus, als sei es Scharping gelungen, in langwierigen Verhandlungen die Vertragspartner zu einem Kompromiss zu bewegen, der die Rechte des Bundestages nicht verletzt. Am Mittwoch aber wurde bekannt, dass Deutschland offenbar nun doch Schadenersatz zahlen muss, wenn es weniger als 73 Flugzeuge kauft. Staatssekretärin Brigitte Schulte bestätigte diese Informationen. Scharping selbst, der sich derzeit in den USA aufhält, betonte hingegen, er halte sich „strikt an Beschlüsse des Parlaments.“

Jetzt ist die Verwirrung komplett. Vom Verteidigungsminister distanzieren sich mittlerweile auch Abgeordnete aus den Regierungsfraktionen. Der SPD-Politiker Volker Kröning erklärte gegenüber der taz, er sehe in neu bekannt gewordenen Informationen „ein Indiz“, wenn auch noch keinen Beweis, dass ein Beschluss des Haushaltsausschusses nicht umgesetzt worden sei. Der grüne Haushaltsexperte Oswald Metzger warf Scharping einen „Amoklauf gegen das Parlamentsrecht“ und forderte sogar seinen Rücktritt. Der grünen Fraktionsführung ging das zu weit. Sie wies die Rücktrittsforderung zurück und soll sogar erwogen haben, Metzger aus dem Haushaltsausschuss abzuziehen.

Mit solchen disziplinarischen Maßnahmen aber lässt sich die Kuh wohl nicht vom Eis bringen. Dietrich Austermann von der CDU hat jetzt verlangt, dass Scharping bis heute Mittag förmlich versichert, nicht gegen Parlamentsbeschlüsse verstoßen zu haben. Andernfalls will er eine Sondersitzung des Haushaltsausschusses für nächste Woche beantragen. Bereits am Mittwoch hatte Austermann erklärt, der Minister sei jetzt „nicht mehr zu halten“. BETTINA GAUS