Juristische Eskalationen

■ Trotz umstrittener Urteile der Handball-Federation und der Keilerei im Hinspiel hofft SG Flensburg/Handewitt auf ein friedliches Rückspiel

Innerhalb von drei Minuten klingelt das Handy von SG-Geschäftsführer Manfred Werner sieben Mal. „Während wir sprechen, versucht mich die ganze Zeit Wien zu erreichen“, entschuldigt sich Werner, während er die Handball-Chefs des europäischen Handball-Verbands (EHF) warten lässt. Zwar besteht durch die Sperrung des Flensburger Spielmachers Christian Berge erhöhter Kommunikationsbedarf zwischen Verein und Dachverband, aber eigentlich sind die Flensburger sprachlos erschüttert.

Im Hinspiel um den Europacup in Ciudad, das Flensburg mit 22:31 verlor, gerieten nach dem letzten Tor und Spielende der Flensburger Rückraumspieler Lars Jeppessen und Fernando Urios aneinander. Urios stieß dabei den unbeteiligten Berge beidhändig zu Boden. Berge rappelte sich auf und ging auf Urios zu, revanchierte sich aber keineswegs, was auch die Justitiarin des EHF, Monika Flixeder nach der Videoanalyse bestätigt: „Berge berührt Urios nicht.“ In der Zwischenzeit kam es zu tumultartigen Szenen auf dem Parkett, in denen der Trainer des spanischen Teams, Veselin Vujovic, mit Anlauf und ausgestrecktem Bein auf den Flensburger Lars Christiansen zuflog und anschließend SG-Spieler Lars Krogh Jeppessen niederboxte.

Das Ende eines Final-Hinspiels, welches bereits unter Protest von Seiten der Flensburger begann. Das Schiedsrichtergespann hatte nicht nur vormals mit Ciudad-Trainer Vujovic in einem Team gespielt, sondern hat entgegen aller üblichen Schiedsrichteransetzungen bereits zum zweiten Mal ein Spiel des spanischen Teams in dem laufenden Wettbewerb geleitet. „So etwas hat es noch nie gegeben“, empört sich Werner.

Vergangenen Donnerstag folgt das Urteil der EHF: Sowohl Vujovic (“Ich bereue gar nichts und würde mit Boxhandschuhen in Flensburg weiter provozieren“) als auch Urios wurden auf Seiten der Spanier gesperrt. Dem jugoslawischen Trainer auf unbestimmte Zeit der Zugang zu allen Spielstätten vor, während und nach internationalen Spielen verboten. Doch der eigentliche Schock für Flensburg folgte durch die, nach Werner, „nicht nachvollziehbare“ Sperrung Berges. „Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass die Mannschaft, die betrogen und geschlagen worden ist, auch noch bestraft wird“, schimpft der sonst eher ruhige Geschäftsführer der SG, der inzwischen einen Anwalt eingeschaltet hat.

„Wir haben nach zwei Kriterien entschieden“, erklärt Flixeder, „wer ist Haupttäter, und wer hat die Tumulte ausgelöst?“ Zweifelsohne sind die drei gesperrten auf dem Video als Beteiligte auszumachen. Die Interpretation, wer als Aggressor die Ausschreitungen befeuert hat, sieht jede betroffene Seite im eigenen Licht. „Es ist doch verständlich dass dort nicht objektiv betrachtet werden kann und die jeweiligen Medien ein Bild schaffen, was gewollt ist“, glaubt Flixeder. Inzwischen ist ein formloses Protestschreiben gegen den Ausschluss Berges aus Flensburg in Wien eingegangen. Denn Werner reicht die Begründung „went after“, übersetzt „hinterhergehen“, in „keinem Fall“ aus, um die Sperre zu rechtfertigen. Doch Einspruchmöglichkeiten hat die EHF bereits im Vorwege ausgeschlossen. „Berge ist Urios bestimmt nicht hintergegangen, um ihn zu streicheln“, erläutert die EHF-Justitiarin. SG-Spieler Christian Berge musste mit den Tränen kämpfen, als ihn die Entscheidung der EHF erreichte, während Flensburgs Trainer nur von „Bauernopfer“ sprechen konnte.

Die Folgen dieser Querelen in den oberen Funktionärsebenen des Hallenhandballs sind für das Final-Rückspiel (So., 14.30 Uhr, Campushalle Flensburg) schwerwiegend. Mit Christian Berge ist der bestimmende Spieler der Flensburger außer Gefecht gesetzt, was die Stimmung der Flensburger Fans vor dem entscheidenden Finalspiel unnötig anheizt. Ein Verlierer steht somit bereits vor der Entscheidung auf dem Parkett fest – der Handballsport. Da helfen auch die noch möglichen drei Titel in den europäischen Wettbewerben nichts.

Oke Göttlich

Außerdem spannend: EHF-Pokal, Finalrückspiel: Barcelona-THW Kiel (So., ab 18.30 Uhr im NDR-Schleswig-Holstein-Magazin)