Hungerstreik auf dem Oranienplatz

Bis zum 30. April versuchen türkische Aktivisten in Berlin Solidarität für Gefangene in ihrem Land herzustellen

Ungewöhnliches tut sich zur Zeit auf dem Oranienplatz. Menschen mit weißen Umhängen auf denen in blauer Schrift „Hungerstreik“ prangt, sitzen vor einem großen Zelt, auf dem Foto zahlreicher junger Männer und Frauen abgebildet sind. „Die sind in den letzten Jahren durch die Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen gestorben“, erklärt einer von ihnen interessierten Passanten.

Enver ist blass. Kein Wunder, hat er doch seit vergangenen Samstag keine Nahrung mehr zu sich genommen. Bis zum 30. April wird die von der „Initiative für das Leben“ getragene Solidaritätsaktion in Kreuzberg noch dauern. „Wir erheben unsere Stimme gegen das Massaker an den politischen Gefangenen in der Türkei“, steht auf einem Transparent, das an dem Zelt befestigt ist.

Mit dieser Aktion soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass in der Türkei der weltweit längste Hungerstreik politischer Gefangener nun schon seit zwanzig Monaten andauert. Obwohl dabei bereits neunzig Gefangene gestorben und hunderte schwere gesundheitliche Schäden davon getragen haben, gibt sich die türkische Regierung kompromisslos. Zynisch erklärte der türkische Justizminister Sami Türk kürzlich, der Hungerstreik wäre spätestens in sechs Monaten mit dem Tod der Gefangenen beendet, wenn die Medien nicht mehr darüber berichten.

„Das Kalkül wollen wir durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit durchkreuzen. Das Thema muss auch in Deutschland wieder auf die Tagesordnung“, meint eine Sprecherin der „Initiative für das Leben“. Deshalb gehören Besuche bei Politikern aller Parteien ebenso zum Programm der Berliner Solidaritätswoche, wie das Erstellen von Presseinfos.

Hauptschwerpunkt ist aber die Öffentlichkeit. An zahlreichen Orten Berlins werden Unterschriften für die Initiative „3 Türen – 3 Schlösser“ verteilt. Mit dem Vorschlag drei 3-Personen-Zellen zu öffnen und so 9 Gefangenen freie Kommunikation zu ermöglichen, versuchen türkische Menschenrechtsorganisationen wieder Bewegung in die festgefahrenen Fronten zwischen dem türkischen Staat und den Gefangenen zu bringen. Die haben die Initiative ausdrücklich unterstützt.

Die Berliner Aktivisten sind über die öffentliche Resonanz zufrieden. „Viele Passanten informieren sich bei uns und ermutigen uns weiterzumachen“, meint Enver. Doch zufrieden ist er damit nicht. „Der Hungerstreik hat im Oktober 2000 begonnen, und wir müssen jetzt wieder mit der Öffentlichkeitsarbeit beginnen.

PETER NOWAK

Informationen zur Initiative „3 Türen – 3 Schlösser“ auf www.noisolation.de