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: In Köln zählt nur Köln – und natürlich das Elend von Leverkusen

Die hohe Kunst der kontrollierten Enttäuschung

Der Kölner an sich verfügt über einen recht ausgeprägten Sinn fürs Feiern, auch derjenige, der in den letzten Jahren beileibe wenig Anlass dazu hatte: der Fan des 1. FC Köln. Selbst der Sturz in die Zweitklassigkeit, das hat diese seltsame Spezies am Samstag bewiesen, vermag daran nichts zu ändern. Eine katastrophale Saison hatte der FC hingelegt, inklusive einer veritabel-faszinierenden Torverweigerungstaktik. Nun war der Abstieg endgültig perfekt, trotz eines 2:0-Sieges gegen einen erschreckend wehrlosen SC Freiburg.

Normalerweise tritt der gemeine Fan in diesem Fall frustriert den Heimweg an, will alles vergessen, verdrängen, nichts mehr sehen, was mit Fußball auch nur zu tun haben könnte. Die Kölner aber blieben im Stadion, provozierten ihre Mannschaft zu einer Ehrenrunde (!) und besannen sich auf das, was in Köln am meisten zählt: Köln.

Eine seltsame Atmosphäre war das im Müngersdorfer Stadion, und nur die personifizierte Spaßbremse Friedhelm Funkel hatte dafür mit dem Begriff der „kontrollierten Enttäuschung“ die richtige Umschreibung parat. Die emotionale Kontrolle, das wusste auch der FC-Trainer, verantwortete der pillendrehende Erzfeind aus Leverkusen, der zwar mit seiner Niederlage in Nürnberg den Kölner Abstieg besiegelte, gleichzeitig aber damit das eigentliche Saisonziel aller Kölner Fans verwirklichte: die Nicht-Meisterschaft des rechtsrheinischen Konkurrenten. Auf den Punkt brachte das Alexander Voigt. „Die Leverkusener?, sagte der Verteidiger, „sind selbst am Arsch jetzt.“ Wenigstens das.

Auf derlei Versüßung musste der ebenfalls abgestiegene SC Freiburg verzichten. Natürlich hatte auch Trainer Volker Finke mit einem Leverkusener Sieg in Franken gerechnet, gratulierte aber fair dorthin. Seiner Ansicht nach hatte mal wieder das Böse gesiegt in diesem fiesen Kosmos der Fußball-Bundesliga, wenn er es auch nur indirekt formulierte. „Mir geht der Abstieg nahe, weil das eben keine hingewichste Mannschaft ist“, sagte Finke.

Positiv fand er immerhin, dass ein Leistungssportler erst in solchen Momenten der tiefen Niederlage wachsen könne. Und sang das Lied vom vernünftig agierenden Klub inmitten einer irrationalen deutschen Fußballgesellschaft. Am Ende besaß dieses Lied beinahe sakralen Charakter. „Wir werden viel Kraft brauchen in der nächsten Saison“, endete die Predigt Finkes.

Kraft, die auch die Kölner benötigen werden, vor allem dann, wenn tatsächlich noch das Undenkbare am Rhein passieren sollte: dass Bayer Leverkusen Deutscher Meister wird.

ERIK EGGERS