Grüne verzichten auf Wehrexpertin

Der grüne Landesverband Schleswig-Holstein verweigert Angelika Beer eine weitere Legislaturperiode im Bundestag – und nominiert 26-jährige Grietje Bettin. Die Verteidigungspolitikerin glaubt, dass ihr Privatleben eine Rolle gespielt haben könnte

von HEIDE OESTREICH

Zwei Stimmen haben gefehlt zur Zweidrittelmehrheit, die Angelika Beer den Wiedereinzug in den Bundestag ermöglicht hätte. Auf dem Parteitag der schleswig-holsteinischen Grünen stimmten 66 von 101 Delegierten dafür, dass die verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion wieder kandidieren darf – 68 Stimmen hätte sie gebraucht.

Ein Überbleibsel der Rotation war es, über das Beer am Samstag stolperte: Nach zwei Legislaturperioden müssen BundestagskandidatInnen sich mit einer Zweidrittelmehrheit bestätigen lassen, erst dann können sie sich der Listenwahl stellen. Diese Regelung will der Landesverband im Herbst abschaffen, vorher brachte sie jetzt noch eine der profiliertesten Abgeordneten zu Fall, die die Grünen im Bundestag haben.

Ein dummer Zufall? Zumindest Angelika Beer glaubt das nicht. Entsprechend enttäuscht zeigte sie sich nach dem Parteitag: „Ich hätte gedacht, dass der politische Verstand und der Stil meines Landesverbandes ausreichen, um eine Abstimmung zwischen Grietje Bettin und mir zuzulassen“, sagte Beer gestern der taz. Die 26-jährige Bundestagsabgeordnete Grietje Bettin wurde schließlich mit 70 zu 23 Stimmen zur Spitzenkandidatin gekürt – gegen Landesvorstandssprecherin Monika Obiery.

Woran es lag? Die nahe liegende Vermutung: Der traditionell eher linke Landesverband „bestrafte“ Beer, weil die ehemalige Bundeswehrgegnerin sich immer unbefangener für Militäreinsätze in aller Welt aussprach. Das halten allerdings offiziell weder Beer noch der Landesverband für ausschlaggebend: Kritik von Delegierten an der grünen Außenpolitik gebe es immer, meinte etwa Landesvorstandssprecher Björn Pistol, aber „sie waren nicht besonders wütend“. Schließlich seien die härtesten Einsatz-KritikerInnen bereits ausgetreten.

Dass Beers Privatleben eine Rolle gespielt habe, weist Pistol auch weit von sich – nicht aber Angelika Beer. Die verlassene Ehefrau ihres Lebensgefährten, des Bundeswehr-Leutnants Peter Matthiesen, hatte sich kurz vor dem Parteitag via Bild und Bunte empört, wie eine „anständige Person“ sich einen verheirateten Mann mit sieben Kindern „greifen“ könne. Dass das die Delegierten beeinflusst haben könnte, „das kann ich mir durchaus vorstellen“, sagte Beer der taz. Pistol dagegen meinte: „Das Privatleben von Frau Beer ist für den Landesverband irrelevant. Hauptsache, sie ist glücklich.“

Nur ex negativo lässt sich etwas ermitteln, das wohl nur allgemeine Stimmung genannt werden kann: Bettin nämlich, betonen auffällig viele, sei eben „sehr sympathisch“, „komme gut rüber“, sei „authentischer“ und „mehr verankert“ und „gehe auch schon mal mit Delegierten Bier trinken“. Direkt hatte ihr Landesverband wohl nichts gegen Angelika Beer. Aber vielleicht indirekt.

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