Verfeinerung, unbegrenzt

Luxus: Im Haus der Kulturen der Welt trafen sich prominente Protagonisten der Kosmetikbranche zu den FiFi-Awards

Hinauf, hinauf geht es über die von Hostessen flankierte Freitreppe auf die Dachterrasse des Hauses der Kulturen der Welt: im schwarzen Anzug die Herren, in großer Garderobe die Damen. In Pink und Karmesin weht Tüll vor dem bedeckten Himmel, und diffundierende Essenzen tun sich zu einem flüchtigen Duftwölkchen zusammen, das mich kaum merklich streift. Alles noch im feinstofflichen Bereich.

Denn es versammeln sich 500 geladene Gäste zur Verleihung der FiFi-Awards, die nicht an ein herausragendes Schoßhündchen, sondern an Neuheiten und Klassiker aus der Welt des Parfums vergeben werden. Dass diese Trophäe den putzigen Namen „FiFi“ trägt, hat irgendwie mit dem Titel des Musicals „Gigi“ und den beiden Anfangsbuchstaben der Fragrance Foundation zu tun, einer Art Marketingunternehmen, das 1949 von Chanel, Elizabeth Arden, Helena Rubenstein und anderen gegründet wurde und seit 30 Jahren die FiFi Awards durchführt, seit zehn Jahren auch in Europa. In beweglichen Grüppchen lungert die Presse in teilnehmender Beobachtung auf der Dachterrasse, um sich dann auf einmal vor prominenten Protagonisten der Kosmetikbranche und des Friseurhandwerks zu verballen: Wer ist die Rosane mit dem Pony? Keine andere als Marlies Möller. Und der Blonde im Teflon-Smoking? Das weiß nicht einmal der eifrig knipsende Fotograf.

Jetzt rächt es sich, dass in meinem Fitness-Studio nur mehrfach durchschwitzte Ausgaben der Gala bereitgehalten werden, die aus der Zeit des Kalten Krieges datieren. Ah, das Ehepaar Bogner. Kaum eingetroffen, wird es von einem pfiffigen Kamerateam zum Parfumtest gebeten. Das dauert.

Es wird später, es wird voller, sodass man schließlich selbst mit längs gestellten Schultern keinen Schritt mehr tun kann. Dann öffnen sich die Türen zur großen Verleihung. Auf der Bühne dominiert Flächiges: rechteckige Kulissen, die zweidimensionale Kontur von drei großen Flakongerüsten. Sissi Perlinger kommt in goldener Hülle auf die Bühne und moderiert die feierlichen Ansprachen. Wir lernen, dass Parfum ein Kulturgut ist und inzwischen in Drittweltländern zu einem Statussymbol avanciert ist. Später singt Sissi ein brandneues Lied, in dem Traum auf Raum und Luft sich auf Duft reimt. Die Prämierung von Herren- und Damenparfums ergibt: Bester Klassiker für Damen wird Coco Chanel, für Herren Aramis. Nach dem krönenden Auftritt eines Musicalstars, mit dem sich eine gewisse Secondhand-Sexiness ausbreitet, formieren sich die Gäste in Richtung Gala-Dinner.

Dort scheint sich zu bewahrheiten, dass konjunkturelle Schwankungen der Luxusbranche wenig anhaben können. Vom Notwendigen kann es genug geben, der Bedarf an Luxusgütern ist unserer Natur nach unbegrenzt, bemerkte der Soziologe Simmel. Für die mangelnde Notwendigkeit werden Luxusgüter durch ihre Verfeinerung entschädigt.

Doch im Foyer, in das das Publikum hinausdrängt, wird trotz Verfeinerung aus allen Düften ein Duft, denn physikalische Gesetzmäßigkeiten greifen. Duftmoleküle vollziehen Zufallssprünge, und die feinstoffliche Materie diffundiert aus Gebieten mit hoher Konzentration in solche mit geringerer Konzentration, von denen es offenbar immer weniger gibt. Dieser Vorgang der Gleichverteilung von Coco und Kenzo, von Eau Sauvage und Eau de Toilette ist mit Energieverlusten verbunden. Draußen fällt nicht enden wollender Regen ins Scheinwerferlicht. Im leeren Laderaum des Catering-LKW lehnt eine junge Frau an der Wand und raucht. MONIKA RINCK