Pferde wetten und retten

Melancholisch: Michael Schorrs Dokumentarfilm „ferner liefen“ über den Alltag auf der Trabrennbahn Hoppegarten

Wie mag es zu wohl zu Kaiser Wilhelms Zeiten im Hoppegarten gewesen sein? Zylinderbewehrte Männer im Gehrock, schicke Damen mit auffälligen Hüten – ein bißchen Ascot-Touch auch auf einer deutschen Galopprennbahn? Sehen und gesehen werden, ein Motto, das zu DDR-Zeiten wohl kaum von größerem Interesse war und mit dem man heute erst recht keinen mehr zum Pferderennen zieht.

„Pferdewetten heißt Pferde retten“, schlägt der Mann von der Treuhand auf der Pressekonferenz vor, in der es um die Zukunft und Privatisierung des Hoppegartens geht. „Man braucht auch ein Rahmenprogramm“, fährt er fort, „zum Beispiel eine Dixielandband oder eine Hüpfburg für Kinder, die Dienstleistungen sollen hier genossen werden.“

Irgendwie scheinen zwei Wirklichkeiten und Wahrnehmungen auf der Berliner Pferderennbahn zusammenzutreffen. Da gibt es die einen mit den hochtrabenden Plänen und die anderen, die ohne groß zu fragen den Betrieb aufrechterhalten. Letzteren gilt das Augenmerk von Michael Schorrs Dokumentarfilm „ferner liefen“.

Unabhängig vom Privatisierungskonflikt und dem damit verbundenen sozialen Zündstoff gibt der Film einen prima Einblick in den Alltag des Pferdesports, der mit völlig unbekannten Berufsbildern überrascht. Da wäre zum Beispiel der Kleintiervergrämer, der dafür zuständig ist, dass die Pferde nicht über Maulwurfhügel stolpern. Oder der Mann in Latzhose, der mit einem seltsamen Gerät die Weichheit des Bodens kontrolliert und erklärt, dass das Geläuf mit vier Komma zwei im guten Bereich liege. Nicht zu vergessen die Lochstopfer, die nach jedem Rennen die ausgetretenen Galoppspuren wieder mit Erde bedecken müssen. Und die Pferde besuchen den Tierorthopäden, wo sie sich zur Erholung an diverse Apparaturen anschließen lassen.

Viele der Ausführungen und Berichte sind von zarter Melancholie durchdrungen. Auf Fragen in Sachen Zukunft gibt es meistens nur ein Achselzucken, ganz beiläufig kommt dann doch noch die Abwicklung des Ostens zu Wort. Ein Ostjockey meint, man solle erst mal einen richtigen Beruf erlernen, bevor man auf den Pferderücken steige. Der Jockeydiener muss sich mit Gelegenheitsjobs ein Zubrot verdienen. Anscheinend sind die Rösser im Hoppegarten wegen finanzieller Zuchtprobleme sowieso nicht mehr die besten. „Aber wenn sie wollen, dann gewinnen sie noch“, erklärt eine siebzigjährige Pferdetrainerin.

Manchmal wirken die Schnittbilder zwischen den Interviewpassagen ein bisschen zu bemüht. Die Kamera fixiert ein Pferdeauge, ruckelt beim Rennen auf dem Sattel mit oder verweilt ein wenig zu demonstrativ auf kargen Baumwipfeln am Rennbahnrand. Dennoch möchte sich hier ein Regisseur nicht selbst verwirklichen, Michael Schorrs Aufmerksamkeit gilt dem Personal der Pferderennbahn. Fast hätte man Lust, an einem der nächsten Frühlingstage mal zum Hoppegarten rauszufahren und ein paar taz-Honorare zu verwetten. ANKE LEWEKE

Heute Premiere mit Filmteam, 21 Uhr im Filmkunsthaus Babylon, Mitte