Der Streik kann kommen

Metallunternehmer ziehen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die Streikpläne der IG Metall zurück. Heute endet die Urabstimmung. Der Arbeitskampf beginnt frühestens kommenden Montag

von RICHARD ROTHER

Dem möglichen Streik in der Metall- und Elektroindustrie der Region steht juristisch nichts mehr im Weg. Nachdem der Unternehmerverband seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Streikpläne der IG Metall gestern zurückgezogen hat, kann es in Berlin und Brandenburg ab kommenden Montag zur ersten flächendeckenden Arbeitsniederlegung seit Kriegsende kommen – wenn bei der heute zu Ende gehenden Urabstimmung die nötige Mehrheit erreicht wird. Damit wird allgemein gerechnet. Die Gewerkschaft fordert Lohn- und Gehaltserhöhungen von bis zu 6,5 Prozent.

Vorausgegangen war ein juristischer Streit um eine umstrittene Äußerung des IG-Metall-Bezirksleiters Hasso Düvel. Der hatte in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit der laufenden Tarifrunde öffentlich die Angleichung der Ost- an die Westtarifbedingungen gefordert. Dies berührt auch die Arbeitszeit im Osten, die nach wie vor höher als im Westen ist. Da die Arbeitszeit aber im nicht gekündigten Manteltarifvertrag geregelt ist, darf diese nicht Gegenstand von Streikmaßnahmen sein.

Düvel hat gestern seinen juristischen Lapsus korrigiert und eidestattlich erklärt, dieses Thema in der aktuellen Tarifauseinandersetzung auszuklammern. Daraufhin zog der Verband der Metall- und Elektroindustrie (VME) seinen Antrag zurück. Verbandschef Hartmann Kleiner: „Damit war unser Antrag auf einstweilige Verfügung ein voller Erfolg.“

Das juristische Hickhack ändert an der grundsätzlichen Lage allerdings wenig. Die Gewerkschaft setzte auch gestern ihre Urabstimmung in 177 Betrieben fort und meldete eine rege Beteiligung. Die Stimmen der rund 99.000 Gewerkschaftsmitglieder werden heute ausgezählt. Pünktlich vor dem ersten Mai will die IG Metall dann das Ergebnis verkünden. Votieren mehr als 75 Prozent der Metaller für einen Streik, kann der Arbeitskampf in der kommenden Woche beginnen. Dass die nötige Mehrheit zustande kommt, gilt als wahrscheinlich.

Als Streikziel nannte Gewerkschaftschef Düvel „eine Tariferhöhung, von der auch real etwas übrig bleibt“. Die IG Metall fordert 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt sowie eine Anpassung der Arbeiter- an die Angestelltenvergütung. Die Unternehmer bieten bisher eine Tariferhöhung von 3,3 Prozent. In der traditionell wenig bestreikten Chemiebranche haben sich Gewerkschaften und Unternehmerverbände in der diesjährigen Tarifrunde bereits auf 3,6 Prozent mehr Lohn und Gehalt geeinigt.