„Die Anschläge häufen sich“

Nach dem Brandanschlag auf die Synagoge am Kreuzberger Fraenkelufer wächst die Unruhe unter den Berliner Juden. Sicherheitsvorkehrungen bleiben auf hohem Niveau. Staatschutz ermittelt

von MARKUS MAXIMILIAN POHL

Am Morgen danach: Vor der Synagoge in Kreuzberg patrouillieren am Montag zwei Polizisten, eingehüllt in olivgrüne Regenmäntel. Ein Metallzaun mit Stacheldraht trennt das jüdische Gebetshaus vom Straßenrand am Fraenkelufer ab. Die Sicherheitsvorkehrungen sind Normalzustand – und doch konnten sie den neuerlichen Ausbruch antisemitischer Gewalt in Berlin am Sonntagabend nicht verhindern.

Gegen 21.35 Uhr hatten die Täter vom Nachbargrundstück aus einen Molotowcocktail mit brennender Lunte in Richtung Synagoge geworfen. Der Brandsatz zerschellte nach Polizeiangaben noch vor der Gebäudewand auf dem Rasen, ohne Schaden anzurichten. Ein Wachmann habe die brennenden Reste des Molotowcocktails ausgetreten. Die Tat selbst sei nicht beobachtet worden.

„Wir haben bisher keine Spur von den Tätern“, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) am Montag im Innenausschuss. Der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz habe die Ermittlungen übernommen. Die Polizei setzte eine Belohnung von 3.000 Euro für Hinweise aus, die zur Ergreifung der Täter führen.

Die Jüdische Gemeinde reagierte „mit Erschütterung“ auf den Anschlag. Der Vorsitzende Alexander Brenner sprach gegenüber der taz von „wachsender Unruhe“ unter den Berliner Juden: „Die Anschläge häufen sich.“ Brenner machte eine zum Teil unausgewogene Berichterstattung über den Nahostkonflikt für antijüdische Ressentiments verantwortlich: „Die Grenze zwischen Antizionismus und Antisemitismus ist da fließend.“ Für die Tat in Kreuzberg kommen nach Brenners Ansicht Rechtsradikale oder Palästinenser in Frage.

Der Anschlag auf die Synagoge reiht sich ein in eine Serie antisemitischer Übergriffe in den vergangenen Wochen: Am 14. April rissen zwei Männer im U-Bahnhof Neukölln einer 21-jährigen Jüdin eine Kette mit einem Davidstern vom Hals und schlugen ihr und ihrer 58 Jahre alten Mutter ins Gesicht. Zwei Wochen zuvor wurden auf dem Kurfürstendamm zwei orthodoxe Juden aus New York von einer Gruppe „südländisch aussehender“ Männer verprügelt. Am 16. März zündeten Unbekannte auf dem Jüdischen Friedhof in Charlottenburg einen Sprengsatz. Auch die Synagoge in Kreuzberg war bereits Ziel eines Anschlags: Im Oktober 2000 warfen Unbekannte mit Pflastersteinen zwei Fensterscheiben ein.

Trotz der neuerlichen Attacke werden die Sicherheitsvorkehrungen am Fraenkelufer aber nicht erhöht. „Die sind bereits auf einem sehr, sehr hohen Level“, so ein Polizeisprecher, „und werden so auch aufrechterhalten.“ „Ich hoffe, das reicht“, sagt Brenner. „Aber ich bin mir nicht sicher.“