Schwergewicht auf Ermittlungsmission

Finnlands Expräsident Martti Ahtisaari soll die Vorgänge im palästinensischen Flüchtlingslager Dschenin untersuchen

Martti Ahtisaari ist ein begehrter Vermittler. Im November letzten Jahres hatte der finnische Expräsident seinen letzten internationalen Auftrag abgeschlossen – als Waffeninspektor in Nordirland, um die Waffenlager der IRA zu kontrollieren. Vor einer Woche ereilte den Rentner erneut der Ruf auf einen Vertrauensposten. UN-Generalsekretär Kofi Annan ernannte ihn zum Leiter der dreiköpfigen Delegation, die die Vorgänge im palästinensischen Flüchtlingslager Dschenin aufklären soll.

Das war kein Zufall. Weder Finnland noch Ahtisaari persöhnlich kann man in Israel eine zu Palästina-freundliche Haltung vorwerfen. Er hat sich in den vergangenen Jahren neutral zum israelisch-palästinensischen Konflikt verhalten. Der Vorwurf der israelischen Regierung, die Zusammensetzung der Kommission würde „zwingend“ zu einer Verurteilung Israels führen, kann daher auf Ahtisaari am wenigsten gemünzt sein.

Das Ausscheiden aus dem Amt des finnischen Staatspräsidenten im vergangenen Jahr brachte kein ruhiges Pensionärsdasein für den 65-Jährigen mit sich. Das war zumindest in Ahtisaaris Heimat eine Überraschung. Denn hier galt der „Dicke“ als Verlierer. Seine Popularitätskurve sackte im Verlaufe seiner fünfjährigen Präsidentschaftsperiode so rapide ab, dass seine sozialdemokratische Partei ihn nicht einmal mehr für eine Wiederwahl aufzustellen wagte.

Irgendwie schien er den FinnInnen mit seinen 130 Kilo, die einmal einen Fahrstuhl aus dem Gleichgewicht brachten, seinen schwankenden Auftritten bei Staatsbesuchen und Gerüchten über seine Trinkgewohnheiten nicht der gewünschte Repräsentant. Seine Zeit schien vorbei.

Ahtisaaris Wende zu einem erneut angesehenen Spieler auf dem internationalen Bankett kam erst in der Spätphase seiner Präsidentschaft. Da wurde der Mann, dem Moskau wie Washington gleichermaßen vertrauten, zum EU-Beauftragten für das Kosovo ernannt. Es gelang ihm, Jugoslawiens Präsident Slobodan Milošević zu einem Friedensabkommen zu bewegen.

Seitdem ist er wieder ein heißer Name, wenn es darum geht, einen internationalen Posten mit einem Vertreter aus einem kleinen, neutralen Land zu besetzen. Eine Laufbahn auf der internationalen Ebene schien Ahtisaari von vorneherein in die Wiege gelegt worden zu sein. 1937 wurde er im heute russischen Viborg geboren, sein Vater war Norweger, die Mutter Finnin. Nach seiner Ausbildung als Volksschullehrer trat er einem Lehrerjob in Pakistan an, bevor er seine diplomatische Karriere begann. Er war Botschafter in Daressalam, Lusaka, Mogadischu und Maputo. Von 1977 bis 1981 war Ahtisaari Vize-UN-Generalsekretär mit einem Spezialauftrag für Namibia. Dort legte er mit seiner friedensschaffenden Mission die Basis für seinen guten internationalen Ruf.

Schon vor seinem Kosovo-Auftrag für die EU war er auf dem Balkan aktiv, so 1992/93 als Vorsitzender einer UN-Arbeitsgruppe für das frühere Jugoslawien, Bosnien und Herzegowina in Genf. Auf Rechnung der EU war er einer der „Weisen“, die das Schicksal des diplomatischen Boykotts Österreichs begutachten sollten. Selbst weist Ahtisaari gerne darauf hin, dass er 1992 eine von ihm offenbar besonders geschätzte Auszeichnung erhielt: die als Finnlands „positivster Mensch des Jahres“.REINHARD WOLFF