DEUTSCHE UNTERNEHMEN WIEDERHOLEN ALTE WAHLFORDERUNGEN
: Gepflegtes Eigeninteresse

Ach ja, die deutschen Unternehmer und die Bundesregierung. Ihr Oberverband, der Bundesverband der Deutschen Industrie, hat gestern seine Wahlforderungen an die Politiker vorgestellt. Es war das übliche Programm: Steuern für Unternehmer runter, Streikrecht weg, Kündigungsschutz weg, Ökosteuer weg. Außerdem natürlich die staatliche Förderung für Forschung und Entwicklung ebenso nach oben wie Sachinvestitionen des Staates, also Aufträge für die Wirtschaft aus Steuergeldern.

BDI-Chef Michael Rogowski formulierte es nicht so deutlich, aber es war wohl so gemeint, wenn er etwa von „durchgreifenden Reformen auf dem Arbeitsmarkt“, „neuen Konzepten der Lohnfindung“ oder einer „verfehlten Energie und Umweltpolitik“ der Regierung sprach. Ganz nebenbei gab er auch noch eine klare Wahlempfehlung für eine mögliche Koalition aus CDU/CSU und FDP ab. Wenn die Vorstandschefs auch privat gerne zugestehen, dass man mit Schröder viel besser reden könne als weiland mit Kohl – öffentlich zugeben als Industrieverband will es keiner. Das Ganze erinnerte ein wenig an das Geblöke der Verbände kurz nach der letzten Bundestagswahl, als auch unflätig die Gefahr von Rot-Grün beschworen wurde. Seltsamerweise saß der BDI genauso im Bündnis für Arbeit wie die Gewerkschaften. Dass sich beim Arbeitsrecht zu wenig getan hat, geht also zur Hälfte auf das Konto der Industrie. Und wenn ein Subventionsbiotop gepflegt werden soll, dann arbeiten die entsprechenden Großunternehmen Hand in Hand mit den betroffenen Gewerkschaften oder Parteiabteilungen, um den profitablen Status quo möglichst lange zu halten – sei es vom Kohlebergbau über die Verkehrspolitik bis zum Müll- oder Energiemarkt. Heiliger St. Florian.

„Die Reformdiskussion gehört in den Wahlkampf“, sagte BDI-Chef Rogowski gestern. Mag sein. Es gäbe wirtschaftlich wirklich noch allerhand zu reformieren im Lande. Immerhin vier Millionen Arbeitslose und ein hoher Energie- und Rohstoffverbrauch wären Grund genug. In jedem Lokalteil kann man lesen, dass mit der Steuerreform die großen Unternehmen kaum noch an die Gemeinden zahlen. Das würde eine Diskussion mit Sachargumenten schon lohnen. Doch wie sollte denn Schröder mit den angeblichen Reformvorschlägen der Industrieverbände noch eine Wahl gewinnen? Der BDI scheint zu glauben, dass die Wähler gar nichts merken. Zum Glück gibt es auch vernünftige Unternehmer. Mit denen muss die Politik dann eben an den Verbandsspitzen vorbei zusammenarbeiten. REINER METZGER