Der Nachwuchs lädt zur Nabelschau

Aus der institutionellen Nische: Diplomfilme von sieben StudentInnen der HfbK– Susanne Winterling, Patrick Weber, Philip Haferbusch, Sebastian Poerschke, Adnan Softic, Mohammad Farokhmanesh und Oliver Eckert

von Urs Richter

Die Filmklassenabsolventen der Hochschule für bildende Künste am Lerchenfeld konnten heuer auf der Berlinale den Schulen in München, Ludwigsburg und Babelsberg selbstbewusst Paroli bieten. Henner Winklers Klassenfahrt und Ulrich Köhlers Bungalow liefen viel gelobt im Panorama und Forum und werden im Laufe des Jahres regulär ins Kino kommen. Und Yüksel Yavuz, Regisseur von Aprilkinder, hat vor einem Monat auf St. Pauli die Dreharbeiten seines zweiten Spielfilms abgeschlossen, Arbeitstitel Der Laufbursche.

Während die Ehemaligen sich also mit Fördermitteln und den Produktionsumständen des freien Filmmarkts herumplagen, genießt der studierende Nachwuchs noch den Schutz der institutionellen Nische. Einen immerhin halben Schritt in die Öffentlichkeit unternimmt ein Diplomfilmabend im Metropolis. „Frischfilm“ nennt sich das Programm, in dem sieben Werke Einblick gewähren in Befindlichkeit und Weltsicht der zukünftigen Regie-Generation.

Innenschau ist angesagt. Vier der Filme scheinen ihren Bildern allein nicht zu viel aufbürden zu wollen und stellen ihnen Off-Monologe der Hauptfiguren zur Seite. Die junge Frau in Karat Hamburg 210 von Susanne Winterling etwa zieht das Publikum sofort ins Vertrauen über die latente Wirrnis in ihrem Kopf. Eine Autofahrt gen Hamburg soll Erleichterung verschaffen, Abstand bringen zum notorischen Jüngling. Allein, das Ziel will nicht näher rücken, die Autobahnschilder verfangen sich in einer Zeitschleife, da hilft kein markenbewusstes Kettenrauchen und kein Abzählen der Mittelstreifen im Scheinwerferkegel. Am Ende trifft man doch stets den, der einem keine Distanz erlaubt – sich. Und Herrn Lynch, womöglich.

Dessen Neigung zum Gothic folgt Patrick Weber mit Marias Hybris. Dem Erzähler aus dem Off ist bange um einen Freund. Der guckt deutlich bleich aus der Wäsche, seitdem eine mysteriöse Unbekannte ihm Pentagramme in die Tapeten ritzt. Viel zu tun für die Ausstattung, die Maske übt noch, der Zuschauer wartet geduldig auf jene Überheblichkeit, die der Titel verspricht. Vergeblich. Weber zückt den abgedroschensten aller Kurzfilmtricks: Am Ende erwacht jemand aus üblen Visionen.

Ein Rückschritt, den Philip Haferbuschs 1 vor 2 zurück lediglich im Namen trägt. Erst Räuspern, dann flüstert uns ein adretter junger Mann seinen Kontrollwahn und die Vorliebe für alles Zählbare zu: Schritte, Joghurtbecher, Modellsatzteilchen. Großmutter strickt derweil das Eigenheim ein, zwei links, zwei rechts, das erinnert an Christo und Rosemarie Trockel. Dutzende Gimmicks montiert der Film gefällig durcheinander, und kurz bevor er ins Kaleidoskopische auseinander stiebt, hält sachte Ironie im Dreivierteltakt Einzug. Was der adrette junge Mann der adretten jungen Frau in der Tanzstunde wohl flüstern mag?

Ein ungesprochenes Familiengespräch belauscht Adnan Softic in Es gibt kein Problem – Nema Problema. Ein Wochenendhäuschen, die Adria ist nah, Mamas Blutdruck ein bisschen niedrig und Papa operiert dem Filius einen Seeigelstachel aus dem Zeh. Über den Sommerferienimpressionen liegt die Erzählerstimme, die sich nicht an alles erinnern mag. Abends wird Fisch gegrillt, dann der Gong zur Tagesschau. Stiller als still flackern Bilder bosnischer Flüchtlinge, Auffanglager, Abschiede vorbei. Der Ton setzt wieder ein, doch Frau Berghoff hat bereits das Thema gewechselt. Nun sind Menschenrechtsverletzungen in der Türkei an der Reihe: ein drastischer Stilgriff dieses sonst behutsamen und sicherlich eigensinnigsten Films des Programms.

Ganz kopflos dagegen Roadkill von Mohammad Farokhmanesh, ein Genreversuch. Der Film beginnt als absurdes Theater, wechselt zur Gaunerkomödie, schiebt eine saudumme Vergewaltigungsszene, überflüssige Achsensprünge und Toneffekte dazwischen und endet mit einem blutigen Kreuz auf kaltem Asphalt. Ein Kreuz.

Sebastian Poerschkes Sommerregen protzt in Cinemascope, pflegt aber im Übrigen gewitztes Understatement. Eine Kleinstadt, eine Kindheit – und die komischen Dinge, die nur Erwachsene machen. Strafarbeiten aufgeben etwa oder den Rasen belüften oder ein Leben lang an der Blechstanze sitzen. Man könnte auf die Idee kommen, der Sinn von Beschäftigung ist es, beschäftigt zu sein. Poerschke formuliert den Verdacht mit viel Sympathie für die, die ihn nähren – die Alternative bliebe ein Kokeln im Wald.

Der siebte Beitrag des Programms, Zwischen Himmel und Erde von Oliver Eckert, spulte während des Sichtungstermins noch ganz profan durchs Kopierwerk und bleibt also eine Überraschung. „Frischfilm“ eben.

„Frischfilm“ (in Anwesenheit der RegisseurInnen): Fr und Sa, 21.15 Uhr, Metropolis