Antike Touri-Hits von Canaletto

■ Venezia, Veduten und Capricci: Eine 300 Jahre alte (Anti-)Souvenir-Produktion in der Kunsthalle

So ganz anders kann das Touristenleben auch im 18. Jahrhundert nicht gewesen sein. Zwar gab es noch keine Buden mit Ansichtskarten. Auch keine Fotokameras, mit denen man sich vor der Rialtobrücke ablichten lassen konnte. Aber das Bedürfnis nach beweiskräftigem Anschauungsmaterial überkam die reichen Reisenden schon vor 300 Jahren.

Engländer waren das zumeist, die ersten Citytouris-ten der Welt, die die frühe italienische Souvenir-Industrie rund um Venedig zum Blühen brachten. Das lehrt jedenfalls die neue Ausstellung in der Kunsthalle Bremen.

Veduten hießen die Mitbringsel damals. Detailgetreue Druckgrafiken also, die meist das britische Konsulat für seine souvenirsliebenden Landsmänner in Auftrag gegeben hatte. Als gesammelte Sehenswürdigkeiten waren sie gleich in ganzen Mappen erhältlich, damit sie später zu Hause mit den Anverwandten durchgeblättert werden konnten – fast wie bei einem Fotoalbum.

Eine ganze Reihe dieser großen Postkartenvorläufer zeigt jetzt die Kunsthalle Bremen in einer Ausstellung zur „Venezianischen Druckgrafik des 18. Jahrhunderts“. Die meisten davon vom Meister schlechthin: Giovanni Antonio Canal, besser bekannt als Canaletto (1697 – 1768). Doch die schwarzweißen Altansichten allein wären für souvenirverwöhnte Neuzeit-Touristen mit Videokamera vermutlich nicht der Rede wert. So hat es die Kunsthalle nicht bei den Veduten allein belassen, sondern die künstlerischen Gegenentwürfe gleich daneben gehängt: die Capricci.

An diesen Grafiken konnten sich die Künstler um 1780 austoben und den Sehenswürdigkeits-Fetischismus ein wenig bespotten. So haben sie die Postkartenmotive ein bisschen durchgeschüttelt und nebeneinander platziert, was nicht nebeneinander gehört: Römische Triumphbögen eingefügt, Bergmassive in den Hintergrund geschoben oder die Kuppelkirche aus Padua nach Venedig versetzt. „Nichts für den Touristen“, sagt die Kuratorin Anne Röver-Kann. „Sondern was für Italien-Kenner.“ Die die Versatzstücke der Tourismusbranche wie bei einem Puzzle sezieren.

Möglich gemacht wurde die Ausstellung „Veduten und Capricci“ durch eine Schenkung, die die Capricci aus der Kunsthallen-Sammlung ergänzt und konstras-tiert. Zu sehen sind die Künstlergrafiken noch bis zum 23. Juni im Kupferstichkabinett. pipe

Öffentliche Führungen: So. 5. Mai, Di. 7. Mai, So 26. Mai und So 23. Juni. Info: Tel.: 329 080