Im Zeichen des Streiks

Mehr als 10.000 Gewerkschafter demonstrieren am 1. Mai für höhere Löhne und gegen die Sparpläne des Senats. IG-Metall-Chef Zwickel schwört befreundete Gewerkschaften auf den Metallerstreik ein, der am Montag beginnt

Die traditionelle Maidemonstration der Gewerkschaften stand gestern ganz im Zeichen der möglichen Arbeitskämpfe in der Metall- und Baubranche sowie den Kitas. Mehr als 10.000 Menschen nahmen an der Demonstration vom Brandenburger Tor zum Roten Rathaus teil, die unter dem Motto „Globalisierung gerecht gestalten“ stand.

Auf der Abschlusskundgebung schwor IG-Metall-Chef Klaus Zwickel die Anwesenden auf den ersten Metallerstreik nach Kriegsende in der Region ein. Die Spitzenkräfte der 30 Dax-notierten Unternehmen hätten sich seit 1998 Einkommenserhöhungen von 64 Prozent gegönnt, so Zwickel. „Wir fordern gerade mal ein Zehntel, nämlich 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt.“ Die diesjährige Tarifrunde werde keine Verzichtsrunde. Die Unternehmer hätten es selbst in der Hand, wie hart und heftig die Auswirkungen des Arbeitskampfes werden. „Mit Dauer des Streiks wird es nicht einfacher. Und nicht billiger.“

Zwickel kündigte ein flexibles Streikkonzept an. So sollen Unternehmen immer nur kurze Zeit bestreikt werden, um Auswirkungen auf andere Betriebe gering zu halten und so keine Anlässe für Aussperrungen zu geben. Sollten die Unternehmer dennoch aussperren, sei dies machtpolitisch begründet. „Macht muss mit Gegenmacht bekämpft werden, sonst gehen wir unter.“

Die IG Metall hatte am Dienstag das Ergebnis der Urabstimmung verkündet. Mit mehr als 85 Prozent Jastimmen für einen Streik lag die Zustimmung in Berlin und Brandenburg unter der in Baden-Württemberg, wo sich mehr als 90 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für einen Ausstand aussprachen. Geringfügige Differenzen gab es auch in der Region. Lag die Zustimmung in den Westberliner Betrieben bei 85,7 Prozent, so war sie in den Ostunternehmen mit 87,2 Prozent etwas darüber. Das konkrete Streikkonzept will die Gewerkschaft heute bekannt geben; in der kommenden Woche soll zunächst nur im Südwesten gestreikt werden. In der Region beginnen die Streiks frühestens am 13. Mai.

Zuvor hatte sich DGB-Landeschef Dieter Scholz gegen den Sparkurs des rot-roten Senats gewandt. Die Bankenkrise dürfe nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Unterträglich sei, dass Neonazis am Tag der Arbeit in der Stadt marschieren dürften. Der DGB werde nie vergessen, wer Gewerkschaften verboten und Gewerkschafter in KZs gesteckt habe: „Wir wollen keine Nazis in unserer Stadt.“

Zuvor waren mehr als 10.000 Demonstranten vom Brandenburger Tor zum Rathaus gezogen. Sie trugen Transparente wie „Kinder in die Bäder, Banker in den Knast!“ und „Wer im Bildungsbereich kürzt, ist ein Wahlbetrüger.“ Die Demonstration verlief friedlich. Zu einem kleineren Zwischenfall kam es am Rande, als Demonstranten versuchten, Plakate einer kleinen Gruppe von FDP-Mitgliedern herunterzureißen. Ein halbes Dutzend Liberale hatte sich mit gewerkschaftskritischen Tranparenten wie „Mehr Arbeitsplätze, weniger Funktionäre!“ unbeliebt gemacht. RICHARD ROTHER