Gewaltverbot: Union dabei

Alle sind jetzt für eine Verschärfung des Waffenrechts – sogar die CDU. Dissens bei Medienexperten: Macht Fernsehen gewalttätig? Der entsprechende Strafrechtsparagraph jedenfalls schlummert sanft

BERLIN taz/dpa ■ Nach einigen Ausfällen versachlicht sich die politische Diskussion um jugendliche Gewalttäter wieder. Während Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) wünschte, dass nun einfach „eine gewisse Zeit zu schweigen“ sei, hat die Union inzwischen offenkundig entschieden, die Morde von Erfurt nicht mehr parteitaktisch zu nutzen. Sowohl Kanzlerkandidat Edmund Stoiber als auch die CDU-Vorsitzende Angela Merkel boten der Regierung an, gemeinsam das Waffenrecht zu verschärfen und Gewalt verherrlichende Videos und Computerspiele zu verbieten.

Die Union hatte vor dem Erfurter Massaker eine Verschärfung des Waffenrechts abgelehnt und auch eine Novelle des Jugendschutzgesetzes im Bundesrat blockiert. Nun kündigte Merkel an, dass die Union sogar ihr Wahlprogramm an den entsprechenden Stellen ergänzen werde. „Wir werden uns konstruktiv verhalten“, versprach die CDU-Vorsitzende am Mittwoch.

Konsens herrscht etwa bei dem Vorhaben, das Alter für den Erwerb von Schusswaffen von 18 auf 21 Jahre heraufzusetzen. Die Innenminister der CDU-regierten Bundsländer haben nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innennministeriums zugesagt, eines entsprechenden Vorstoß der SPD-Innenminister zu unterstützen.

Kanzlerkandidat Stoiber bot Bundeskanzler Gerhard Schröder ein „Bündnis gegen Gewalt“ an. Ein Gesetz zum Verbot von Gewaltspielen könne bis Juni verabschiedet werden, meinte Stoiber. Schröder hat die Ministerpräsidenten der Länder für Montagabend zu einem Gespräch über mögliche Gesetzesänderungen eingeladen.

Auf wenig Gegenliebe dagegen stieß der Vorschlag von Otto Schily, die Altersgrenze für Volljährigkeit von 18 auf 21 Jahre heraufzusetzen. Eine Phalanx von Jusos, Grünen und CDU-Politikern hielt dies nicht für sinnvoll, noch nicht einmal ein SPD-Politiker fand sich zur Unterstützung bereit.

Während die Politik sich wild entschlossen zeigt, gegen Gewaltspiele und -videos vorzugehen, äußern Soziologen und Medienwissenschaftler sich zurückhaltender. „Verbote bewirken wenig“, sagte etwa der Jugendforscher Klaus Hurrelmann der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Allerdings konzediert er ebenso wie andere Medienwissenschaftler, dass Gewaltfilme und -spiele eine bereits vorhandene Gewaltneigung verstärken können. Eine vor wenigen Wochen in den USA veröffentlichte Langzeitbeobachtung von 717 Familien, die die Columbia University in New York durchgeführt hatte, ergab dagegen eine deutlich engere Verbindung zwischen Fernsehen und Gewalt. Mehrstündiges tägliches Fernsehen fördere bei Jugendlichen auf Dauer einen Hang zu gewalttätigem Verhalten, heißt es dort. Dieser Zusammenhang sei unabhängig von anderen Faktoren wie elterlicher Vernachlässigung oder psychischen Störungen nachweisbar.

In Deutschland ist die „Verherrlichung und Verharmlosung von Gewalt“ laut Paragraf 131 des Strafgesetzbuches verboten. Allerdings wird dieser Paragraf kaum angewandt. Heute will Bundeskanzler Schröder mit den Verantwortlichen der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender über Gewalt im Fernsehen sprechen. Statt neue Gesetze zu beschließen, so warnt der Medienwissenschaftler Friedrich Krotz von der Uni Münster, müsse man die alten erst einmal durchsetzen. HEIDE OESTREICH