Schöne Aussicht vor Gericht

Prozessbeginn: Aus Sicht von Ex-Oberbaudirektor Kossak und Bauunternehmer Wünsche wäre Schmiergeld für Villenbau an der Alster unsinnig gewesen

Der Bauunternehmer Kai Wünsche hatte beim Bau zweier Luxus-Villen an der Alster keinen Grund, den früheren Oberbaudirektor Egbert Kossak zu bestechen. Mit diesem zentralen Argument haben die beiden Angeklagten gestern vor dem Landgericht versucht, die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu entkräften. Kossak behauptete, „dass Herrn Wünsche nicht der geringste Vorteil entstanden ist, der nicht einem anderen Bauherrn hätte gewährt werden müssen“. Wünsche versicherte in einer gesetzten Erklärung, er habe Kossak nicht bestochen.

Der damalige Oberbaudirektor Kossak soll 1997 dafür gesorgt haben, dass Wünsche das Grundstück Schöne Aussicht 29/30 höher und dichter bebauen durfte, als es der gültige Bebauungsplan vorsah. Kossak soll dafür von Wünsche 200.000 Mark in bar erhalten haben, Kossaks Frau einen lukrativen Auftrag: Ihr Architekturbüro durfte den Wettbewerb für die Bebauung des Grundstücks organisieren und erhielt dafür 70.000 Mark . Für die Übergabe der 200.000 Mark gibt es nur einen einzigen Zeugen, einen inzwischen entlassenen Angestellten Wünsches.

Kossak verteidigte sich mit einem Hinweis auf die „Lebenswirklichkeit der Verwaltung“, insbesondere seine Stellung als Oberbaudirektor. Dieser sei „in seiner zentralen Rolle Anwalt der hamburgischen Baukultur“, so Kossak. Als solcher habe er zwischen Politik, Verwaltung, Architektenschaft, Bauherren und Öffentlichkeit zu vermitteln. Für Befreiungen vom Planrecht seien dagegen die Bauämter der Bezirke zuständig, bei großen Abweichungen die Baubehörde.

Befreiungen vom Planrecht seien im Übrigen die Regel, nicht die Ausnahme. „Wenn wir dieses Instrument nicht hätten, würden 50 Prozent der Hamburger Bauaktivitäten nicht stattfinden“, so Kossak. Für die Alster seien dreigeschossige Stadthäuser, wie Wünsche sie bauen durfte, typisch. Eine Ausnahme für Wünsche habe im öffentlichen Interesse gelegen, weil auf diese Weise eine städtebaulich bessere Lösung habe realisiert werden können.

Der Vorsitzende Richter Peter Wölber hielt Kossak vor, er habe innerhalb von zwei Jahren bloß Wünsche, niemals anderen Investoren, eine schriftliche Ausnahmegenehmigung in Aussicht gestellt. Wölber bezweifelte, ob Kossak als Verwaltungsbeamter unparteiisch gehandelt habe. Beispielsweise wunderte er sich, dass Kossak einen entsprechenden Brief nicht auch an die frühere Eigentümerin des Grundstücks, Flora Gruner, gesandt habe. „Es kommt schlicht nicht vor, dass Grundeigentümer über solche Korrespondenzen informiert werden“, hielt Kossak dagegen. Die Eigentümer würden spätestens von den Maklern über die Bebauungsmöglichkeiten ihrer Grundstücke informiert. Der Prozess hat erst begonnen. Gernot Knödler