berliner szenen Stiffe Drinks

Zollfrei natürlich

Ich holte G. in Tegel ab. Urlaub im Süden. G. ist gut erholt und voller Tatendrang, allerdings bleich: „Bei der Hitze da unten habe ich natürlich keinen Schritt außerhalb klimatisierter Räume gemacht. Hatte auch Wichtigeres zu tun.“ Geheimnisvolle Miene. Mitgebracht hat er neben Rum, Zigaretten und den üblichen Ansichtspostkarten – „Verschicke ich zu Weihnachten!“ – wichtige Dokumente, die er mir kurze Zeit später stolz präsentiert.

„Du bist Honorarkonsul von Antigua?“ – „Jawohl. Und Kulturattaché von St. Lucia. Bestätigt von allen zuständigen Stellen.“ – „Und wofür?“ – „Aufbuch zu neuen Ufern: Die Zeiten von Schanghairetroimbißbudentapabarcubagoaschnickschnack sind endgültig vorüber – alles miese Simulationen. Die Leute wollen was Authentisches. Und was ist heute noch echt? Im Ernstfall doch nur Staatsbürgerschaften und nationale Symbole. Ich eröffne Konsulate mit Bar- und Clubbetrieb. Schick mit Fahne davor. Kein Ärger mit Gewerbeaufsicht und Polizei. Exterritorialität bei stiffen Drinks, zollfrei natürlich. Ich habe die entsprechenden Locations schon im Auge. Vorne Platz für Tische, ausreichender Sicherheitsabstand zu Straße und parkenden Autos. In einigen Vierteln wird es demnächst zu größeren Verkehrsumleitungen kommen. Hinten im Hof Tanz und Musik bis zum Morgengrauen.“ – „Toll! Und die Anwohner?“ – „Um Beschwerden kümmert sich das Außenministerium, und diplomatische Verwicklungen sind im Moment das Letzte, was Fischer sich leisten kann.“

Ich bin beeindruckt, allein eine Sache bereitet G. als altem Libertären noch Kopfzerbrechen: „Botschaftsflüchtlinge. Wie die Dinge sich hier entwickeln, werde ich um eine rigide Türpolitik kaum herumkommen.“ CARSTEN WÜRMANN