Einigung mit dem Metermaß

Es schien einmal ein schier unlösbarer Streit zwischen einem ehemaligen Alliierten und der Hauptstadt – der Bau der neuen US-Botschaft an historischer Stelle neben dem Brandenburger Tor. Kein Wunder, dass die Einigung nun historisch genannt wird

von KATJA BAUER

Als hätte man ihn eilig hergetragen, steht am Donnerstagmorgen ein leicht abgewetzter, zierlicher Schreibtisch auf einem bunten Teppich direkt neben dem Brandenburger Tor. Dabei hat man in Berlin und auch in Washington auf diesen Augenblick jahrelang gewartet. US-Botschafter Daniel Coats und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) unterzeichnen hier feierlich eine Erklärung. Inhalt: Die US-Botschaft wird an dieser Stelle gebaut. Hintergrund: Damit ist ein scheinbar endloser Streit zwischen der Hauptstadt und den ehemaligen Alliierten beseitigt. „Manche haben in Frage gestellt, dass dieser Tag jemals kommt“, sagt Coats.

Er und Wowereit freuen sich an diesem Morgen ganz unbefangen über die Einigung an dem „wirklich historischen Tag“ (Wowereit). Es waren ihre Vorgänger, die sich in nicht immer diplomatischem Ton um den Bau der Botschaft stritten. Vordergründig ging es allein um Sicherheit und Städtebau. Doch zumindest hinter vorgehaltener Hand wurde auch gefragt, welche Sonderrechte die einstige Schutzmacht USA heute in der früher geteilten Stadt Berlin noch genießt.

Dabei kündet eine Steinplatte auf dem Grundstück aus dem Jahr 1993 noch von Zeiten, als der Neubau am Pariser Platz völlig unstrittig schien. Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Wowereits Vorgänger Eberhard Diepgen (beide CDU) und Coats Kollege Robert Kimmit sind hier verewigt. Text auf dem Stein: „Der einstige und künftige Sitz der Amerikanischen Botschaft in Berlin.“

Die USA hatten wie Frankreich und Großbritannien bis zum Zweiten Weltkrieg ihren Sitz rund um den Pariser Platz, und nach der Wende sollte das wieder so werden. Frankreich und Großbritannien planten und bauten – doch nachdem 1998 zwei Bombenanschläge gegen die US-Botschaften in Daressalam und Nairobi zahlreiche Opfer gefordert hatten, verschärfte die CIA ihre Sicherheitsstandards. Für die Amerikaner war seitdem ein Sicherheitsabstand von 30 Metern zwischen Botschaft und Straße unabdingbar.

Für Berlin war das ein Tabu, denn am städtebaulich bedeutenden, quadratischen Pariser Platz hätten Straßen verlegt werden müssen – das historische Ensemble wäre arg verzerrt worden. Lange schien keine Einigung möglich, die Wogen der Erregung schlugen hoch. Kritiker meinten, wem Sicherheit über alles gehe, der müsse eben einen Bauplatz im Grunewald suchen.

Zeitweise schien die Situation sich nicht zu bewegen, doch im Januar überraschten die Partner mit der Nachricht von einer grundsätzlichen Einigung.

Und wie es scheint, ging es am Ende nur um ein paar Meter. Nun werden statt 30 nur 25 Meter Abstand zur nächsten Straße benötigt, dafür darf eine rückwärtige Straße auf Kosten der USA ein Stück in das Gelände des Holocaust-Mahnmals verlegt werden. DPA