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: Dialog über den Teich tut Not

Gestern veröffentlichten deutsche Intellektuelle und Künstler einen Aufruf, mit dem sie in den amerikanischen Disput zwischen Befürwortern und Kritikern von Bushs „Anti-Terror-Feldzug“ intervenieren. Auch wenn diese Antwort spät kommt, teils zu grundsätzlich argumentiert und teils unrichtig – sie könnte sich als nützlich erweisen. Denn an beiden Ecken der atlantischen Wertegemeinschaft herrschen wechselseitiger Missmut, Sprachlosigkeit und Rückzug auf Stereotype. Das trifft nicht nur auf die Kräfte der Zivilgesellschaft zu, sondern auch aufs politische Management bis weit in die Reihen der Christdemokraten. Ein öffentlicher, kontroverser Disput ist überfällig.

Kommentarvon CHRISTIAN SEMLER

Der deutsche Aufruf allerdings klebt allzu sehr an der Vorlage der Bush-Anhänger, kritisiert deren Fokus auf die Menschenrechte als unehrlich und demagogisch. Der Aufruf ermuntert die amerikanischen Linken: Ihr steht nicht allein. Das ist nett, bringt aber nicht viel. Spätestens seit die „uneingeschränkte Solidarität“ mit den USA die politische Rhetorik bereichert hat, erscheint die Frage des weltweiten Kampfs gegen den Terrorismus in einem neuen Licht. Es geht um das gegenwärtige wie das zukünftige Verhältnis der USA zu den Europäern, konkret zur Europäischen Union.

Soll die Europäische Union nur als Reparaturkolonne angesehen werden, die mit Hilfsleistungen und Geld zur Stelle ist, wenn die Streitkräfte unter Führung der USA ihre jeweiligen Strafaktionen beendet haben? Soll die Aufgabe, Konfliktparteien auf Dauer zu entwaffnen, den Kriegen ihre Nahrungsgrundlage zu entziehen, eine neue Staatlichkeit aufzubauen, Gemeinsinn in zerstörten Gemeinschaften zu wecken, wirklich den Europäern zufallen? Natürlich – das gerade ist die Aufgabe der Vereinten Nationen. Aber die sind nur so stark wie die Mittel und Methoden, die ihnen ihre Anhänger zur Verfügung stellen. Und die Anhänger einer handlungsfähigen Weltorganisationen finden sich nun mal hauptsächlich in der EU.

Wenn das so ist, muss eine Politik hierzulande, die auf die Weltgesellschaft gerichtet ist, die Europäer in den Blick nehmen. Nicht Schließung, sondern Öffnung der EU zur Welt hin ist angesagt. Damit aber auch die Handlungsfähigkeit der Union, einschließlich ihrer Armeen. Wie das allerdings aussehen und wozu das gut sein wird – darüber muss die viel beschworene Zivilgesellschaft ein Wörtchen mitzureden haben.

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