taz on tour: Schlachthof rappelvoll, neue Wege „abgewatscht“

■ Arbeitsmarkt-Diskussion: Eine alleinerziehende Mutter und ein Redakteur ziehen ihr Fazit. Siehe auch Seite 6

Der Schlachthof war rappelvoll! Gut 300 Menschen besuchten gestern den „taz kongress on tour“ in Bremen. Das Thema: „Fördern, fordern, fallen lassen? - Arbeitsmarkpolitik auf neuen Wegen“. Überraschung? Nein, das Interesse war groß, denn es geht ja viele an.

Aber wieder einmal wurde vom Podium herab doziert, welche Schwierigkeiten doch bestehen, der so hohen Arbeitslosigkeit, insbesondere der Langzeitarbeitslosigkeit, zu begegnen. Und, welche Formen die Verarmung an Existenz und Seele der Mensch in Kauf nehmen muss, wenn er im Arbeitsprozess nicht mehr gebraucht wird.

Da wurde über Transferleistungen gesprochen, über die Notwendigkeit des Abbaus und dann wieder über die Unablässigkeit der Weiterzahlung. Dass Arbeitgeber teilweise Mindestlöhne nicht mehr zahlen könnten. Dass Hilfe zum Lebensunterhalt ein Recht des Menschen sei, aber das die Kommunen kaum noch in der Lage seien, diese Zahlungen zu leisten. Von der Beschreitung neuer Wege war letztendlich wenig zu hören.

Die Diskussionsbeiträge aus dem Publikum zeigten den Unmut, den Ärger und die Verdrossenhheit vieler. Meine Erfahrung zeigt: Wenn du nicht Frau bist, nicht alt und nicht jung, nicht erwerbsgemindert oder berufsunfähig, deine Vita keine Unterbrechungen, aber Brüche aufweist, du nicht qualifiziert, aber gefügig genug bist, dich in „Minderlohngruppen“ vermitteln zu lassen – nur dann könnten sie vielleicht auf dem Arbeitsmarkt geholfen werden. Für die anderen bleibt – wenig.

Veranstaltungen dieser Art sind notwendig – wie auch der Besuch und das Mitmachen. Denn sind nicht alle die, die heute längerfristige Transferleistungen beziehen, die zukünftigen Sozialhilfeempfänger bis an ihr Lebensende? Nur eins hilft nicht: Resignieren!

Elke Rosenkranz , 48 Jahre, alleinerziehende Mutter und taz-Leserin

Sozialismus ist nicht mehr zu haben, hat unser Kolumnist Ulrich „Urdü“ Reineking am Ende der Diskussion über das Dilemma der Arbeitsmarktpolitik festgestellt, das Paradies hinter der Mauer zwinge die Arbeitgeber nicht mehr zur Zurückhaltung. Jetzt wird offen gesagt: Arbeit wird nur gegeben, wenn es in die Bilanz passt. Lösungen gibt es nur kapitalistisch.

Von ganz links wurde von dem Arbeitgebervertreter Ortwin Braun auf der taz-Veranstaltung mehrfach „Soziale Verantwortung“ eingeklagt. Steckt dahinter der Wunsch, dass die Arbeitgeber heimlich Sozialismus praktizieren und kapitalistisch unvernünftig handeln sollten? Wohl nicht. Nicht nur aus dem Schiffbau, auch von anderen Produkten wissen wir (Konsumenten), dass die preiswerteren Produkte auch dann gekauft werden, wenn es Arbeitsplätze in Deutschland kostet. In den Billiglohn-Nischen des Dienstleistungssektors haben längst ausländische Arbeitskräfte ihren Einstiegs-Platz gefunden, Europa wächst eben auch so zusammen.

Auch vor diesem Hintergrund wäre es naiv, von einer geringfügigen Umorganisation der bisherigen Arbeitsmarktpolitik nennenswerte Auswirkungen auf das Niveau der Arbeitslosigkeit in Deutschland zu erhoffen. „Fördern und fordern“ kann den Kommunalhaushalt um ein paar Prozente bei der Sozialhilfe entlasten, mehr nicht.

Wer nicht „neue Wege“ zu denken wagen will, muss sich mit einem wachsenden Sockel gesellschaftlich Ausgegrenzter abfinden.

Klaus Wolschner