Konkurrenz in Frühlingsfarben

Büroangestellte beim Überlebenstraining: Das Theater an der Winkelwiese aus Zürich gastiert mit schottischem Gegenwartsdrama „Mainstream“ in den Sophiensælen

Vor dem Eintritt in die Welt der Bürokasernen liegt das Ritual des Einstellungsgesprächs. Dieser Kampf um Anerkennung und Unterwerfung diente dem schottischen Autor David Greig als Vorlage für „Mainstream“. Dramaturgisch zugespitzt, hetzt er Personalberater auf etablierte Angestellte der Unterhaltungsindustrie.

Fünf junge Schauspieler und zwei Bürostühle bevölkern ein weißes Leinenrechteck. Ein Quadrat aus grau wattierten Wänden umschließt Zuschauer und Bühne (Michael Schaltenbrand). Die glatten Linien der Stellwände verstellen den bröckelnden Charme des Sophiensaals. Auch die Frühlingsfarben der kurzen Sommermäntel gehören in die kantige Welt zwischen den Zuschauertribünen. Ihr hartes Weiß, helles Lindgrün, zartes Beige, nettes Creme- und Currygelb leuchten in gleißendem Licht; jeder Schauspieler hat eine eigene Farbe, einen anderen Mantelschnitt und eine andere Frisur. Die drei Frauen und zwei Männer sind unterscheidbar und durch Künstlichkeit uniformiert. Ihre gebügelten Hosen (Kostüme: Elisabeth Schubiger) und ihr Lächeln weisen sie als vorbereitet auf den Einstieg und das Verweilen in der Arbeitswelt aus.

Aber das Training nützt ihnen wenig. Die erneute Bewerbungssituation nervt die Talentesucher. Sie sind sonst Entscheider, kaufen Bands und Hits. Doch die Berater tun nett und freundlich, entschuldigen sich mit ihrer Rolle und genießen ihre Macht. Jeder gibt sein Bestes, mal mit scheinheiliger Offenheit, einer durchschaubaren Lüge oder einer alten Drogengeschichte.

Regisseur Gian Manuel Rau hat sich für den permanenten Wechsel entschieden, immer neue Paare schickt er in die Wortschlacht. Es ist ein Rollenkarussel für Sieger und Verlierer. Im Zwei-Minuten-Rhythmus wechseln die Partner. Jeder übernimmt die Rolle des Machers und des Untergebenen, erarbeitet neue Töne und Rhythmen, zitiert und variiert. Bietet der Text eine klitzekleine Geschichte, greifen die Schauspieler gierig nach den Sätzen.

Doch die Grundstruktur bleibt. Der Verzicht auf Handlungsstränge ist Programm, Greigs Antwort auf den Verlust von Individualität. Der Unerträglichkeit des Stillstandes entgeht der Dramatiker mit leisen Variationen. Wie Konfekt serviert er die minimalen Änderungen ohne Hast. Dialoge werden umgestellt, Sätze getauscht. Die Wiederholungen sensibilisieren für kleinste Veränderungen. Die Inszenierung des Theaters an der Winkelwiese nimmt diese Variationen wie einen Zwang auf. Reicht am Anfang der Wechsel der Darsteller, der Töne, des Textes oder des Gestus, sorgen später Slapstickeinlagen und Kostümwitze für Abwechslung. Dann ist Zeit für das grazile Balancieren beim Anziehen eines Nylonstrumpfes oder das Vorzeigen lackierter Fußnägel. Am Ende kreisen Suchscheinwerfer über die Bühne und erzeugen Untergangsstimmung, bevor beim Whiskeytrinken Spuckarien die Sinne erfreuen.

Das Anreißen einer Grundsituation stiftet durch andersfarbige Wiederholungen auf die Dauer wenig Sinn. So verbleibt das durchgearbeitete Spiel an der Oberfläche, die es kritisiert. Der Selbstlauf holt die spielfreudigen Darsteller ein. Unbemerkt verschwinden sie hinter ihren Mitteln, wirken bei aller Genauigkeit professionell kühl.

CHRISTOPH WALDMANN

Sophiensæle, Sophienstr. 18,bis 4. Mai, 20 Uhr