berliner szenen Stehen und rauchen

Sorge um Karl-Horst

Seit Jahren wird darüber geredet, jetzt soll es passieren – das taz- Service-Center: Abo, Merchandising, Kleinanzeigen, alles gebündelt im ersten Stock. Wohl um ein Angekommensein in der Dienstleistungsgesellschaft zu suggerieren, wurde der Empfangsraum umgebaut. Der Rezeptionist sitzt jetzt auf einem Podest, hinter einer Theke, die man Service-Counter nennen kann. Die farbliche Gestaltung ist gefällig und einladend.

Doch trotz des programmatischen Raumkonzepts: Die Realität macht solche Werbeprospektwelten im Nu platt. Ein paar Kollegen haben schnell erkannt, worum es sich bei dem Service-Counter wirklich handelt: um einen Tresen, ähnlich dem, an dem sie stehen, wenn sie nächtens nicht nach Hause wollen. So stehen sie rum, rauchen die erste, zweite, dritte Frühstückszigarette und klagen, dass es nichts zu trinken gibt. Nach ein paar Minuten folgt der Versuch, sich auszusprechen – und/oder ein melancholisch-verlorener Gesichtsausdruck.

Letzteren hatte auch die Kollegin, die nach ewigem Herumsinnieren auf Nachfrage angestrengt verkündete: „Ich denke über Karl-Horst nach.“ Hmm – dazu lässt sich nicht viel sagen. Vor allem, wenn man Karl-Horst nicht kennt. Aber eigentlich reicht auch, jetzt ein bisschen solidarisch zu gucken – ganz egal, was Karl-Horst verbrochen hat.

Letztlich war alles halb so schlimm. Bei Karl-Horst handelte es sich in Wirklichkeit um die Radrennbahn in Weißensee. Dort soll die taz bei einer Veranstaltung einen Stand aufbauen. Die Kollegin hatte die Radrennbahn einfach mit der Trabrennbahn in Karlshorst verwechselt. Hätte man sich eigentlich denken können – wer, bitte schön, heißt heutzutage schon Karl-Horst.

STEPHANIE GRIMM