Von der Nische ins Abseits

Der BFC Dynamo, einst DDR-Rekordmeister, befindet sich auf dem Weg in die Fußball-Kreisklasse. Ein Notvorstand und eine Fan-Initiative versuchen sich nun an der Rettung. Die heißt Schuldenabbau

von SEBASTIAN HOLZAPFEL
und JULIA HARBECK

Ein normaler Spieltag in der Landesliga: An der Stralsunder Straße im Wedding spielt der BFC Dynamo Berlin an diesem Aprilsonntag gegen die türkischen Freizeitfußballer vom BSV Hürriyet. Die kurz geschorenen BFC-Fans lassen Dosenbier in sich hineinlaufen und blinzeln in die Sonne. Sie zünden eine Rauchbombe, schwenken die zu Fahnen umgebauten Aldi-Tüten und geben Tribünenliedgut der gröberen Art zum Besten. Bierdosen fliegen auf den Kunstrasen,und am Ende verliert der BFC gegen die Türken mit 3:6. Später ziehen die Anhänger unter Polizeibegleitung und Gegröle in die nächste Kneipe. Wie gesagt: ein ganz normaler Nachmittag für die Dynamo-Fans. Vielleicht aber einer der letzten dieser Art.

Denn der BFC Dynamo steht vor dem Aus. Mit einer für einen Oberligisten imposanten Schuldenlast von 3,6 Millionen Euro ging der Verein im November vergangenen Jahres in die Insolvenz. Konsequentes Missmanagement und beispielloser Realitätsverlust in der früheren Klubspitze haben den erfolgreichsten Verein der DDR-Geschichte an den Rand des Abgrunds gebracht. Zusätzlich belasten gut 200.000 Euro Lohnforderungen ehemaliger Spieler und Angestellter den Klub.

Wenn dieses fehlende Geld nicht bald auf dem Notarkonto von Insolvenzverwalter Philipp Hackländer eingeht, können die Fans im Sportforum Hohenschönhausen ihre Aldi-Fahnen zusammenrollen. Hinzu kommt, dass der Ex-Stasi-Klub seit Monaten mehr oder weniger führungslos vor sich hin dümpelt. Anfang der Woche setzte das Amtsgericht Charlottenburg den Trainer der BFC-Damen, Volkmar Lucius, als Notvorstand ein. Dieser hatte den Rechtsweg beschritten – wegen angeblicher Satzungsverstöße des alten Vorstands. Das sind André Sommer und Rayk Bernt, die dem Verein im vorigen Herbst ein zusätzliches Imageproblem bescherten: Die langjährigen BFC-Fans sollen führende Mitglieder der Berliner „Hell’s Angels“ sein. Im November hatten die beiden die zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nötigen 15.000 Euro beschafft und damit das Ruder im Verein an sich gerissen.

Seitdem hat sich jedoch nicht viel getan. Stattdessen verspielte das Duo seinen Vertrauenskredit bei den Fans: Neue Geldgeber konnten Sommer und Bernt nicht gewinnen, eine Unterschriftensammlung der Mitglieder mit dem Ziel, einen neuen Vorstand zu wählen, wurde schlicht ignoriert. Von ihrer Abwahl durch die Hintertür wissen die beiden angeblich nichts: „Wir sind nicht informiert worden und machen unsere Arbeit weiter wie bisher“, behauptet Sommer. Doch der neue Interimsvorstand hat die Arbeit bereits aufgenommen: „Mir geht es nun vor allem darum, eine Mitgliederversammlung einzuberufen, auf der ein handlungsfähiger Vorstand gewählt werden muss“, kündigt Lucius an. Handlungsfähigkeit bedeutet aber auch, in kurzer Zeit viel Geld aufzutreiben. Auf die Unterstützung des Berliner Senats kann der Verein dabei nicht mehr hoffen: „Die Entwicklung bei Dynamo ist nicht gut verlaufen. Das ist aber allein Sache des Vereins“, begründet Thomas John, Sprecher von Sportsenator Klaus Böger.

Das dürfte auch mit dem katastrophalen Image des Vereins zusammenhängen: Zu DDR-Zeiten galt der BFC als Erich Mielkes Lieblingsspielzeug: Der Minister für Staatssicherheit hatte seinen festen Platz auf der Ehrentribüne im Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg. Zehn Jahre hintereinander wurde der Klub DDR-Meister. Nach der Wende führte der BFC nur noch die Hooligan-Tabelle an: Mehr gewaltbereite Fans, im Polizeijargon „Kategorie C“ genannt, gab es nirgends. Sportlich fristet der Verein die vergangenen zehn Jahre eine Randexistenz in der Regionalliga, zuletzt nur noch in der Oberliga. Seit Eröffnung der Insolvenz steht der Verein als erster Absteiger in die Verbandsliga fest. Die erste Mannschaft hat darüber den Spielbetrieb eingestellt und verstärkt die zweite Mannschaft in der Landesliga. Mit dem drohenden Konkurs wäre ein letzter Abstieg in die Kreisliga E verbunden, die niedrigste Spielklasse überhaupt. Sollte dieses Schicksal dem Verein erspart bleiben, so wäre dies vor allem einer Fan-Initiative zu verdanken, der „Interessengemeinschaft BFCer“, der Langzeitfans. Sie legen Wert darauf, nicht mit prügelnden Hooligans in einen Topf geworfen zu werden.

Seit Wochen versucht die IG, einen Teil der Gläubiger zum Verzicht auf ihre Forderungen zu bewegen. „Wir konnten die Lohnforderungen bereits halbieren“, berichtet Sven Wagner. Parallel wurde ein Spendenkonto eröffnet und mit potenziellen Geldgebern verhandelt. Eine Zeitarbeitsfirma und eine Werbeagentur sollen sich bereit erklärt haben, dem Verein 100.000 Euro zur Verfügung zu stellen.